Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3387 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3387 / 9133 Next Page
Page Background

357

geblich wertfreie kausale Erkenntnisse als Erziehungsmittel zu ge-

brauchen oder — wie Jürgen Habermas die analoge Erwartung

Parsons zusammenfaßte — das Trilemma des Historismus, des Uti-

litarismus und des Marxismus zu durchbrechen

1

, eine Ideologie

wenn auch vielleicht eine Gegenideologie zur Voraussetzung.

Die Wertfreiheit der Sozialwissenschaft im Sinne Max Webers

ist nach Hans Albert eine Methode, nach der sich auch die „soge-

nannten“ Wertprobleme wertfrei, das heißt wohl in der Art der Na-

turwissenschaften behandeln lassen. Diese Methode könne „bis zu

einem gewissen Grade für alle sozialen Bereiche relevant sein“, in-

dem die „Idee der kritischen Prüfung“ sich auf soziale Tatbestände

verschiedenster Art anwenden lasse. Kritische Prüfung ist ein

selbstverständliches Verfahren in jeder Wissenschaft, aber doch wohl

keine „Idee“; sie kann ebenso wie eine „kritische Durchleuch-

tung“ oder die „Durchleuchtung sachlicher Zusammenhänge auf

theoretischer Basis“ (Ausdrücke, die Albert gleichfalls verwendet)

nur eine den jeweiligen Zusammenhängen oder dem Gegenstande

entsprechende Beurteilung, das heißt eine W e r t u n g d e r E i n -

z e l t a t s a c h e n i m H i n b l i c k a u f d i e j e w e i l s g ü l -

t i g e n B e r e i c h e bedeuten. Wertfrei bleibt dann nur noch die

Tätigkeit der Materialsammlung, nachdem das wissenschaftliche oder

sonstige Interesse den Gegenstand der Untersuchung bestimmt hat

2

.

In die nicht immer widerspruchsvollen Gedankengänge über

die Stellung der Soziologie und ihre postulierte Wertfreiheit stoßen

die erfreulich präzisen Ausführungen von Pietro Rossi. Die So-

zialwissenschaften könnten nicht bestimmen, ob ein Wert als Ver-

haltensregel und Wertungsgrund gelten soll, aber sie könnten und

müßten die geeigneten Mittel für die Wertverwirklichung und die

Folgen aus dem Gebrauch der Mittel angeben. Am Anfang der

Sozialwissenschaften steht der Gesichtspunkt oder die Wertbezie-

hung, welche die Richtung der Forschung bestimmen und auch die

Richtung der Beziehungen bedingen, die zum Zwecke der Erklä-

rung untersucht werden. Die Wertbedingtheit macht aus der kausa-

len eine konditionale Erklärung, die „Neutralisierung“ der Wert-

1

Max Weber und die Soziologie

h S 81

2

Max Weber und die Soziologie

h S 72