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liche Entfaltung gebunden ist, in der irdischen Welt noch festgehal-
ten und zu einer allseitigen Entwicklung seiner Kräfte gebracht
werden. Es ist uralte Weisheit, daß die Gnade überall die Natur
voraussetzt. Die Natur zu überspringen, ist der Mensch unver-
mögend. Er soll erst durch die Natur hindurchdringen, um zur
Übernatur zu gelangen.
Von den Gefahren, denen er dabei entgegengeht, von der Dä-
monie der Natur, von der finsteren Nachtseite der Erde, dem Na-
turgrauen, von dem Grausigen auf dem Grunde der Lust und aller
Verstrickung solcher Art zu sprechen, ist hier nicht der Ort. Aber
auch diese Seite des Naturlebens vermag durch jene Bekanntschaft,
welche die Wirtschaft mit ihr macht, berührt zu werden. Dem le-
bendig fühlenden Techniker von heute ist sie nicht vollkommen
fremd. Man denke an die uralte Poesie aller bergmännischen Arbeit,
an ihre Wichtelmännchen, lichten und dunklen Mächte. Der tätige
Techniker vermag es überall, sich über die tote Naturauffassung der
Physik zu erheben.
Nun wird es verständlich, warum erst dem höheren geistigen
Menschen die Wirtschaft immer mehr eine bloße Schranke und
Hemmung bedeutet (wenn auch niemals vollständig, wie ja auch
dem geistlichsten Klosterbruder Gartenarbeit zu verrichten förder-
lich und dem Einsiedler ein Maß äußerlicher Arbeit eine Wohltat
ist); warum dagegen dem geistig weniger entwickelten Menschen
harte Pflicht, strenge Arbeit zuweilen zum letzten Halt, zur ein-
zigen festen Grundlage eines schwankenden Lebens wird. Wenn
freilich die wirtschaftliche Tätigkeit, wie heute so oft, jeder Fülle
und Seele entbehrt und sich in einem entarteten Einerlei von we-
nigen Handgriffen erschöpft, wenn sie gar mit Ausstoßung aus
stetiger Gemeinschaft, mit Standlosigkeit verbunden ist, dann kann
sie auch für den einfachen Menschen nicht das bedeuten, was sie
unbedingt sollte und müßte. Sie kann ihm nicht zum Halt und
Segen werden.
Auf welcher geistigen Stufe immer der Mensch stehe, er muß
durch Äußeres hindurch, um ein Inneres zu ergreifen. Verklärung
gibt es nur durch den Tod hindurch; was auferstehen will, muß
gestorben sein. Dieses Gesetz des Daseins ist so allgemein, daß etwas
von diesem veredelnden Tode und Schmerze sogar auch die tiefste
Schicht des gesellschaftlichen Lebens, die Wirtschaft, mit ihrer Müh-