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260

jenem Gegensatze. Denn die Deutung, Auffassung oder Wesens-

erklärung alles Geistigen führt überall zuletzt und unentrinnbar

auf die im weitesten Sinne e m p i r i s t i s c h e (positivistische,

relativistische) oder auf die nichtempiristische, das ist im engeren

Sinne i d e a l i s t i s c h e (= metaphysische) Auffassung

1

.

Die individualistische und die empiristische Auffassung entspre-

chen einander; ebenso die universalistische und die nichtempiri-

stische. Den Nachweis dafür, daß erst auf dem Grunde der nicht-

empiristischen, der idealistischen Auffassung der geistigen Inhalte

des Gesellschaftslebens die universalistische Untersuchung in der

Soziologie einsetzen kann, während die empiristische Auffassung

der geistigen Inhalte von Kultur und Geschichte überall zur indi-

vidualistischen Betrachtung in der Soziologie führt, können wir an

dieser Stelle allerdings nicht erbringen

2

.

Nun ist die neuzeitliche Religionssoziologie wie in methodologi-

scher Hinsicht bekanntlich durchaus individualistisch, so in philoso-

phischer Hinsicht empiristisch eingestellt. Um die Auseinanderset-

zung zu erleichtern, gilt es, zuvor über ihre Lehren und Schulen

einen Überblick zu gewinnen.

I.

Die Erklärungsarten der Religion nach empiristischer Auffassung

3

Das Wort „empiristisch“ soll künftig im weitesten Sinne gebraucht

werden, so daß es alle Arten von Sensualismus, Relativismus, Positi-

vismus, Naturalismus und dergleichen mehr umfaßt. Daß „empiri-

stisch“ nicht mit „empirisch“ (auf Erfahrung beruhend) zusammen-

fällt, da auch der Idealismus den Anspruch macht, auf Erfahrung zu-

rückzugehen, braucht dem philosophisch Gebildeten nicht eigens

1

„idealistisch“ also zuletzt im ontologischen, objektiven Sinne, zum Beispiel

der platonisch-aristotelischen oder Hegelschen Ideenlehre, nicht im bloß erkennt-

nistheoretischen, nicht im subjektiven Sinne.

2

Vgl. mein Buch: Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 210 ft. (jetzt:

4. Aufl., Graz 1969, S. 253 ff. = Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 4); ferner

meinen Beitrag zur Festschrift für Paul Wilhelm Schmidt: Naturalistische und

idealistische Gesellschaftslehre, Mödling bei Wien 1928 (Verlag des „Anthropos“,

St. Gabriel, S. 227 ff., jetzt abgedruckt in: Kämpfende Wissenschaft, 2. Aufl., Graz

1969, S. 139 ff. (= Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 7).

3

Aus dem ungeheuren Schrifttum zu diesem und zu dem folgenden Abschnitt

hebe ich nur hervor: P a u l W i l h e l m S c h m i d t : Der Ursprung der Gottes-

idee, Teil 1: Historisch kritischer Teil, Münster 1912 (2. Aufl., Münster 1926), in