Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3876 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3876 / 9133 Next Page
Page Background

4

[XVII/XVIII]

die Geisteswissenschaften ohne das in einer ganzheitlichen Kate-

gorienlehre gegebene Rüstzeug nicht auskommen können. Die

Geisteswissenschaften müssen mehr und mehr erkennen, daß das

naturwissenschaftliche Verfahren mit seinem mechanistischen Ur-

sächlichkeitsbegriff ihren Gegenstand von G r u n d a u f ver-

fehle, und daß ihnen nur ein solches Verfahren helfen könne, wel-

ches dem unmechanistischen, und das heißt geistigem Wesen ihres

Gegenstandes gerecht wird, eben das ganzheitliche.

Ist aber ein solcher Umschwung in den Geisteswissenschaften

einmal erreicht und ihnen damit von selbst ihre kulturell führende

Stellung von den Naturwissenschaften zurückgegeben, dann wird

dies auch einen Anstoß zur Wiederbelebung des großen deutschen

I d e a l i s m u s bilden.

Seit den Zeiten Platons und Aristoteles hatte die Welt keinen so

großartigen Aufschwung der idealistischen Philosophie erlebt, wie

er durch Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Baader und die Romantik

hervorgebracht wurde. Wenn diese weithin leuchtende Geistes-

bewegung, der rasch alle edlen Geister des Abendlandes zuströmten,

dennoch bald nach Hegels Tode dem alten Naturalismus und schließ-

lich dem nackten Materialismus weichen mußte; wenn in der Folge

das gesamte geistige Leben einschließlich der Kunst geradezu ver-

flachte, indem politische Leidenschaft, Großgewerbe und reine Fach-

wissenschaft immer mehr die Begabungen aufsogen — so / lag das

nicht allein daran, daß eine mehrere Jahrhunderte alte Entwicklung,

wie sie vom Nominalismus, Rationalismus, Empirismus und Sub-

jektivismus bis zum Materialismus führte, nicht mit einem Schlage

überwunden werden konnte; es lag auch an gewissen Schwächen

selbst, die dem neuen Idealismus noch anhafteten. Kantens Aprioris-

mus, Fichtes erste Wissenschaftslehre und die Frühromantik zeigten

unleugbar noch Züge des Subjektivismus und Rationalismus (erst

die Spätlehren Fichtes und Schellings, ferner Baader, befreiten sich

davon). Und dem entsprach das Unzulängliche des Verfahrens: das

dialektische Verfahren, wie es Hegel in schematisch-ableitender

Weise zur Herrschaft brachte, vermochte nicht zu leisten, was die

Zeit unbedingt von ihm verlangte, nämlich der reinen Empirie des

ursächlich-mechanistischen Denkens in den Geisteswissenschaften

entgegenzutreten: Die Dialektik vermochte den vollen Zugang zur