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Gott allein ist. Das war eine richtige Anmerkung, sie wurde aber
nicht zu Ende gedacht. Denn nicht eigentlich der Grund als Ursache,
sondern die gegenseitige Begründung oder Gezweiung oder Glied-
haftigkeit ist es, was die Selbständigkeit der Substanz einschränkt.
Diese wesenhafte Einschränkung ist mehr als jene genetische, sie
sagt: daß der Substanz nur verhältnismäßige Selbständigkeit zu-
kommt, und daß dasjenige, was n a c h u n t e n h i n g e s e h e n
(auf seine eigenen Glieder und Unterganzheiten hin) S u b s t a n z
i s t , n a c h o b e n h i n n u r G l i e d , a l s o n i c h t S u b -
s t a n z , a l s o A k z i d e n s ist. Jeder „Träger“ von Eigenschaf-
ten, und ein solcher ist die Ganzheit im wahren Sinne, fordert nicht
etwa bloß eine Ursache — hiermit ist nur das Genetische getrof-
fen —, sondern noch einen Träger, der über ihm steht, eine höhere
Ganzheit, und zuletzt wird die Welt von Gott getragen als dem
Höchsten und Einzigsten.
Hieraus zeigt sich endlich, daß nicht eigentlich die eigene Selb-
ständigkeit eines Dinges seine Substantialität begründet, sondern
daß es zuletzt die R ü c k v e r b u n d e n h e i t aller Eigen- /
schaften (Glieder) in der Einheit des Ganzen ist, wodurch das Ding
mehr als die Summe seiner Eigenschaften wird. Erst die Rückver-
bundenheit macht das Ding zum „Träger“ der Eigenschaften, be-
festigt und vollendet seine Einheit. Dasselbe heißt es, wenn wir
sagen: die Dinge können erst dann aus Geschaffenwerden schaffen,
wenn sie in ihrem Höheren, von dem sie geschaffen werden, rück-
verbunden sind.
Weiteres über den Substanzbegriff in der Ideenlehre, wo mit der Frage der
Einwohnung und der Jenseitigkeit der Idee dieselben Denkaufgaben (das Ding
als „Versammlungsort“ usw.) im Substanzbegriffe wieder hervortreten wie hier
in der Seinslehre und Aussagelehre
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Vgl. unten Sechstes Buch, Ideenlehre.