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stanzbegriff und sind nun verpflichtet, uns über die Folgerungen,

die sich daraus ergeben, klar zu werden.

Die Aristotelische Lehre, die von der Scholastik und dem deut-

schen Idealismus im wesentlichen angenommen wurde, bestimmt

den Begriff der Substanz (substantia, von substare, unterstehen,

ύποχείμενον

Unterliegendes) als „etwas, das nicht von einem Sub-

jekte (

ύποχείμενον)

ausgesagt wird [also nicht bloße / Eigenschaft ist,

zum Beispiel weiß), noch in einem Subjekte ist, wie zum Beispiel

dieser einzelne Mensch.. .“

1

Substanzen sind also nach Aristoteles

die selbständigen Einzelwesen, zum Beispiel ein Mensch. Aristoteles

nennt sie auch, wie erwähnt, „erste Substanzen“ oder „Substanzen

im eigentlichen Sinne“ und stellt ihnen die Arten und Gattungen,

das heißt das Allgemeine als die „zweiten Substanzen“ gegenüber

1 2

.

Während die ersten Substanzen selbständige Einzeldinge sind und

keinem Subjekte inhärieren, vielmehr selbst Subjekte sind, werden

die zweiten Substanzen von den ersten Substanzen ausgesagt, zum

Beispiel der Gattungsbegriff Menschheit von den einzelnen Men-

schen. Es ist dies jene uns schon bekannte Aristotelische Ansicht,

wonach das Allgemeine Prädikat wäre, die Gattung dem Einzel-

wesen inhärieren soll. — Der Substanz stehen die Akzidenzien

gegenüber, zum Beispiel das Weiße am Menschen. Das Kennzeich-

nende der Akzidenzien ist, daß sie notwendig einer Substanz in-

härieren, daß sie also nicht für sich, sondern in einem Subjekte

bestehen; das Weiße, das Ausgedehnte, kommt immer einem Dinge

zu, ist aber selbst kein Ding, keine Substanz. Darum wird dafür

das Wort

ουμβεβηκός

gebraucht (von

συμβαίνειν

, accidere, mitfol-

gen, sich ereignen, hinzukommen, id quod accidit, das, was hinzu-

kommt zu dem Dinge). Die Akzidenzien müssen nicht unwesent-

1

Aristoteles: Kategorien, übersetzt von Eugen Rolfes,

z.

Aufl., Leipzig

1925, 5, 2 a, 11 (= Philosophische Bibliothek, Bd 8). — Der Ausdruck

ύποχείμενον,

die Unterlage, ist bei Aristoteles allerdings vieldeutig. Er bedeutet „Substrat“,

aber auch „Subjekt“ im grammatischen Sinne, darum auch „Substanz“ im echten

Sinne, nämlich als Trägerin von Eigenschaften, und außerdem „Materie“

(ϋλη),

sofern sie allen Formen zugrunde liegt. Vgl. Matthias Kappes: Aristoteles-Lexikon,

Paderborn 1894, S. 60 f. — Außerdem wird von Aristoteles der Ausdruck

oύσia,

Wesen, für Substanz gebraucht, ebenso aber auch für den bloßen Wesensinhalt. —

Treffend nennt Meister Eckehart die Substanzen deutsch „selbststehende“, die

Akzidenzien „anfällige“ Wesen. Vgl. Meister Eckhart, herausgegeben von Franz

Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 327, Zeile 25 ff.

2

Aristoteles: Kategorien, 5, 2 a, 11.