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(Bewegung,

χίνησις

)

als auch: Selbstzweck, Entelechie, das heißt

V o l l e n d u n g .

Im System Schellings und Hegels hat die Idee einen anderen ge-

schichtlichen Ursprung und eine andere Stellung als in den Plato-

nisch-Aristotelischen Lehrgebäuden. Der Ursprung liegt im Begriffs-

zusammenhange der Naturphilosophie Schellings klar am Tage: die

Potenzen des Geistes, seine inneren Formen. An diesen inneren For-

men schafft der Weltgeist, in ihrer Verwirklichung bestehen die

Schritte des Weltgeistes. Insofern mit diesem begonnen wird, zeigt

sich ein ähnlicher religiös-metaphysischer Ausgangspunkt wie bei

Platon (Weltseele, Ideenwelt = Inbegriff göttlicher Mächte). — Diese

Ideenlehre hat unleugbar pantheistische Bestandteile in sich. Aber

sie wollte gerade den Pantheismus überwinden

1

. Hegel / ver-

wahrte sich gegen Pantheismus, ebenso der spätere Schelling. Die

von Schelling mit Hilfe von Gedanken J a k o b B ö h m e s groß-

artig angestrebte Verbindung von Immanenz und Transzendenz,

der „Panentheismus“, ist ja in gewissem Sinne Aufgabe jeder tiefe-

ren Gotteslehre, wie denn auch der scholastische „Konkurs“, die

Lehre von der Mitwirkung Gottes in der Welt, Ähnliches anstrebt.

— In der E r z e u g u n g d e s A l l g e m e i n e n d u r c h

d a s B e s o n d e r e l i e g t e i n e E n t s p r e c h u n g z u r

n e u p l a t o n i s c h e n „ R ü c k w e n d u n g“,

έπιοτροφή.

Die

Wendung, daß im Weltengange das Allgemeine sich wieder aus

dem Einzelnen erzeuge, muß daher keineswegs pantheistisch ver-

standen werden.

Leider ist eine gründliche und in die Tiefe dringende Untersuchung über die

Ideenlehre des deutschen Idealismus nicht vorhanden. Es genügt nicht, sie damit

zu erledigen, daß man ihr Pantheismus vorwirft, wie dies S t a u d e n m a i e r

tat

2

. Es bleibt für immer ein denkwürdiger Versuch, aus der Selbstdarstellung

der Idee, die Natur ebenso wie die Geschichte abzuleiten. Allerdings gelang er

1

Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

in 2. Auflage neu herausgegeben von Georg Lasson, Leipzig 1905, §§ 554 f.,

564, Zusatz: „Gott ist nur Gott, / insofern er sich selber weiß; sein Sich-Wissen

ist f e r n e r sein Selbstbewußtsein im Menschen...“ (gemeint ist: das Hervor-

bringen des Allgemeinen, hier des Gotteswissens, durch das Besondere, hier den

Menschen, ist der Gang des göttlichen Universums).

2

Franz Anton Staudenmaier: Die Lehre von der Idee, In Verbindung mit

einer Entwicklungsgeschichte der Ideenlehre und der Lehre vom Logos (= Die

Philosophie des Christentums oder Metaphysik der heiligen Schrift, Bd I), Gie-

ßen 1840, S. 144 ff.