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es folgerichtig, daß Plotin für jedes individuelle Wesen eine eigene

Idee annimmt

1

.

Es ist dieser neuplatonische Gedanke als ein Versuch zu werten,

Jenseitigkeit und Diesseitigkeit der Ideen miteinaner zu verbin-

den.

3.

A u g u s t i n u s ist es, der auf Grund dieser neuplatonischen

Lehre einen Schritt weiter macht, indem er die Ideen in Gott selbst

verlegt. Ihm folgten alle christlichen Denker. Von nun an sind die

Ideen in der christlichen Philosophie die S c h ö p f e r g e d a n k e n

G o t t e s . Weiteres über Augustinus werden wir in einem anderen

Zusammenhange mitzuteilen haben

2

.

4.

Die m i t t e l a l t e r l i c h e F o r t b i l d u n g , etwa in

der Augustinisch-Bonaventuraschen Lehre von den rationes semi-

nales dargestellt (Formen, die latent in der Materie enthalten sind,

bevor sie noch zu einem bestimmten Ding formiert wird), beweist

das Streben über den Begriff des Stoffes als bloß erleidender Mög-

lichkeit hinaus zu einer schon in sich selbst geformten Natur zu

kommen. Ebenso beweist die scholastische Lehre von der „Eduktion

der Formen aus der Materie“, die in der gesamten Scholastik vor-

handen ist, daß man an einem Punkte des Systems schließlich ge-

nötigt ist, die F o r m n i c h t z u r M a t e r i e h i n z u k o m -

m e n u n d s i e d a d u r c h z u m D i n g e w e r d e n z u

l a s s e n , s o n d e r n a u s i h r s c h o n s e l b s t h e r v o r -

g e h e n z u l a s s e n

3

. Würde man daraus die letzten Folgerungen

ziehen, so würde meines Erachtens allerdings der alte Begriff der

Materie als bloß erleidender Möglichkeit gesprengt und die Folge-

rungen für die Ideenlehre könnten nicht ausbleiben.

/

Die Auffassung der Ideen als Schöpfergedanken Gottes vertreten

auch der hl. T h o m a s v o n A q u i n o und ebenso die neu-

thomistischen Scholastiker der Gegenwart. Im Mittelalter wurden

1

Plotin: Enneaden, übersetzt von Richard Harder, Leipzig 1930—37, V, 7

(= Philosophische Bibliothek, Bd 211 a).

2

Siehe unten S. 480 ff.

3

Vgl. dazu Joseph Krause: Die Lehre des hl. Bonaventura über die Natur

der körperlichen und geistigen Wesen und ihr Verhältnis zum Thomismus, Pa-

derborn 1888, S. 37 f.; vgl. auch Albert Stöckl: Lehrbuch der Philosophie, Bd 2,

5. Aufl. Mainz 1881, S. 152 f.