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senheit nicht von der Idee. Es fallen damit auch alle jene Begriffe

und Bilder weg, die auf ein „Einstrahlen“ der Idee in die Materie

hinweisen, wodurch die sinnlichen Dinge erst entstehen sollen, oder

wodurch die Vervielfältigung der Einen Idee in viele Einzelne er-

klärt werden soll. Es gibt kein „Einstrahlen“. Denn die stoffliche

Welt schreibt sich von sich selber her, in ihr verräumlichen und ver-

stofflichen sich die ihr arteigenen Formen, die nicht Geist, nicht

Ideen sind.

Um jeden Preis muß der Fehler vermieden werden, den wir oben

in verschiedenen Zusammenhängen aufdeckten: daß die Ideenwelt

selbst die Natur hervorbrächte, daß der Geist selbst Materie (und

wäre es auch nur die bestimmt geformte Materie, die sogenannte

„zweite Materie“) hervorbrächte

1

.

Abgesehen von den eben gezeigten Schwierigkeiten ist dieser Ge-

danke auch für sich unhaltbar. Wenn es selbst „Ideen“ sind, die sich

in der stofflichen Natur verkörpern, dann ist zwischen / Geist und

Natur, zwischen jener Idee, die sich geistig darstellt, und jener Idee,

die sich natürlich verkörpert, kein Wesensunterschied mehr. Wer

d i e s e n F e h l e r m a c h t , v e r n i c h t e t d i e g a n z e

I d e e n l e h r e . Wäre der Gegensatz von Idee und Stoff aufge-

hoben, dann wären zuletzt überall nur „Ideen“ zu finden, Geist

sowie Natur sind dann e i n Inbegriff von Ideen.

Es wären lediglich höhere und niedere Ideen, die wir überall fän-

den. Darum mußten Platon, Aristoteles und Plotin so weit gehen,

von Naturdingen Ideen (Formen) anzunehmen. Wenn Platon von

der „Idee des Großen“ spricht, von der Idee des Gleichen, des Feu-

ers, des Wassers, der Bewegung und Ruhe, ebenso wie von der Idee

der Gerechtigkeit und der Tapferkeit — dann wird es offensichtlich,

wie sehr Natur und Geist vereinerleit werden. Denn beides ist nun

„Idee“, sowohl der Stein, der an der Idee der Größe teilhat, wie der

Mensch, der an der Idee der Tapferkeit teilhat. Wie man es auch

drehe und wende: ist die Materie ein Unwirkliches und aus sich

selbst heraus nichts und sind es allein die Ideen, die diese Materie

setzen, indem sie sie erfüllen, formen, dann ist notwendig alles

in der Welt verkörperte Idee.

Auch wäre die sinnfällige Welt dann nur eine Verdoppelung der

1

Vgl. oben S. 171—201 und öfter.