Vorwort zur zweiten Auflage
Die erste Auflage dieses Buches erschien im Jahre 1928 im Rah-
men des von Manfred Schröter herausgegebenen „Handbuches der
Philosophie“ im Verlage von R. Oldenbourg zu München. Da das
„Handbuch“ leider nicht mehr neu erscheint und auch der angese-
hene Verlag nicht mehr besteht, geht dieses Buch hiermit in einen
anderen Verlag über.
Eine zwanzigjährige wissenschaftliche Arbeit in erschütterten und
umwälzenden Zeiten liegt zwischen der alten und neuen Auflage,
aber an dem Grundbegriffe des Buches, der Gezweiung und der
ganzheitlichen Auffassung vom Wesen des Geistes sowie auch an
seiner Durchführung war in keinem Falle etwas zu ändern. Da-
gegen waren viele kleine Lücken auszustopfen, manches zu verein-
fachen und vor allen Dingen, das war mein Hauptbestreben, das
Schwierige deutlicher zu machen und es dem Leser zu erleichtern.
Denn unserem Zeitalter ging die philosophische Bildung verlo-
ren, da ist es nicht einfach, den Weg zur Quelle wieder zurückzufin-
den.
Aber die Not der Zeit drängt mit Macht und bei Strafe des gei-
stigen Unterganges auf diesen Weg. Es ist nicht auszumessen, wie
sehr ein wahres Verständnis der Gemeinschaft das Leben zu fördern
vermöchte. Ein solches Verständnis ist nicht nur zu einer rechten ge-
sellschaftlichen Verfassung unentbehrlich, vielmehr noch zum inne-
ren Leben. Denn auf dem Grunde der Gezweiung wohnt Abge-
schiedenheit und in lauterer Abgeschiedenheit Gott. So lehrt auch
Meister Eckehart, welcher auf die Frage „Was ist gut?“ antwortet:
„Was sich gemeinet“ (vergemeinsamt), und uns erklärt, Gott
allein sei es, der sich gänzlich zu gemeinen (allem mitzuteilen) ver-
möge. Eine Wissenschaft aber, deren Lehrbegriffe, ohne daß sie sich
an strenger Zergliederung der Wirklichkeit das Geringste vergäbe,
vom Weltlichen zum Überweltlichen führen, ist allein auf dem
rechten Wege und weitet den Blick ins Unendliche.
W i e n , im Herbste 1947
Othmar Spann