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philosophie heute abhängen. Die idealistische Gesellschaftsphilo-

sophie vermag dieses Ziel zu erreichen, die empiristische muß

es verfehlen. Denn wer das Innere hat, versteht auch das Äußere,

wer nur das Äußere hat, wie die Empiristen, vermag ins Innere

nie vorzudringen. Darum vermag wohl die idealistische Philosophie

die Wirklichkeit zu meistern, niemals aber die positivistische

und empiristische. Zum Beweise dürfen wir vor anderm unsere

„Vorranglehre“

1

/ anführen, die fähig ist, das verborgenste Gefüge

der Gesellschaft zu enthüllen und in die Tiefen der Geschichte

hinabzuleuchten. Ihr haben die naturalistischen Richtungen nichts

Ähnliches entgegenzusetzen.

Dagegen werden andere wieder zu wenig oder nichts von der

Gesellschaftsphilosophie erwarten. Im Grund leugnen ja die heute

herrschenden Schulen Bestehen und Möglichkeit einer eigenen Ge-

sellschaftsphilosophie. Im Wesen des philosophischen Empirismus

läge eine solche Leugnung allerdings nicht notwendig. Aber die

meisten heutigen Empiristen sind zu „Positivisten“ herabgesunken.

Diese Könige der Flachheit glauben, daß sie keine Gesellschaftsphilo-

sophie brauchen, weil sie schlechthin von den „Tatsachen", von der

reinen „Erfahrung“ ausgehen könnten. Sie wissen nicht, daß es sich

in der Gesellschaft um Geist handelt und darum hier das bloße

Augenmaß, das äußere Netzhautbild, nicht ausreicht, sondern der

geistige Sinngehalt hinzukommen muß. Denn „Gesellschaft“ be-

steht eben darin, daß Geist an Geist wird, daß der Geist erst im

Sehen eines andern Geistes sich selbst sieht. Und eben darin besteht

der Hinweis auf eine philosophische Geisteslehre — die schon Ge-

sellschaftsphilosophie ist. Würden Empiristen und Positivisten ihre

Geistesblindheit ahnen, sie würden verstehen, warum sie ewig zur

schalen Äußerlichkeit verurteilt bleiben. — Ähnlich wie mit den

Positivisten steht es auch mit der logistischen Wortphilosophie der

anderen heutigen Schulen. Für sie alle gibt es im systematischen

Sinne keine eigene Gesellschaftsphilosophie, da sie sich in Erkennt-

nistheorie und deren Ableitungen erschöpfen. Von hier aus gelangen

sie zwar noch zum Begriffe des „Wertes“; die Wirklichkeit und der

Vorrang der Gemeinschaft aber, auf denen Fragen und Denkaufga-

ben aller nicht-empiristischen Gesellschaftsphilosophie beruhen, sind

ihnen unerreichbar.

1

Siehe unten S. 117 ff. und Drittes Hauptstück, Abschnitt VI.