Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5265 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5265 / 9133 Next Page
Page Background

[24/25/26]

27

voll-Teleologische oder Fortschrittliche keine blinde Mechanik sein

kann, darüber braucht man kein Wort zu verlieren

1

.

b.

K a r l M a r x

Dieser Denkweise eng verwandt ist die materialistische Ge-

schichtsauffassung Marxens. Seine Lehre gehört ebenso wie jene

Darwins völlig der Denkweise des Materialismus und der / Aufklä-

rung an. Gerade er hat mit dem naturwissenschaftlichen Gesetzes-

begriff in der Geschichte am meisten Ernst gemacht.

Als den Hauptinhalt seiner Lehre

2

kann man folgende Gedanken betrachten:

Das geschichtliche Geschehen der menschlichen Gesellschaft ist durch feste Gesetze

bestimmt. Die Gesellschaft ist wieder dadurch bestimmt, daß alle ihre Inhalte

auf die Wirtschaft zurückzuführen sind. Die Wirtschaft ist der „ U n t e r b a u “ ,

die übrigen Inhalte oder „Ideologien“ (z. B. Recht, Staat, Religion, Wissenschaft,

Kunst) sind der „ Ü b e r b a u “ . Die Wirtschaft selbst ist durch Klassengegensätze

bestimmt. „Alle Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ Von Ur-

promiskuität und Urkommunismus führt die Entwicklung anfangs zu dem

Klassengegensatz innerhalb der Grundherrschaft (Feudalität) und Zunftverfassung,

später zu dem zwischen Kapitalisten und Proletariern. Die gegenwärtige kapitali-

stische Wirtschaft ist durch das „Gesetz der Konzentration des Kapitels“ gekenn-

zeichnet. Dieses führt automatisch zur Vergesellschaftung aller Erzeugungsmittel

(die eben mit der Konzentration der Betriebe schon beginnt) und damit zu einer

entsprechenden Änderung des „ideologischen Überbaus“, damit endlich zur kom-

munistischen Zukunftsgesellschaft. — Zugleich soll nach Marx diese Entwicklung

eine dialektische im Sinne Hegels sein: These: Urkommunismus; Antithese:

Privateigentum (Feudalismus, Kapitalismus); Synthese: Zukunftskommunismus.

Hier waltet wie bei Darwin das mechanische Naturgesetz, das dennoch zum

Fortschritte führt. Darüber hinaus ist aber die Umwelt maßgebend. Marx sagt

im Vorwort von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“

3

: „Es ist nicht das

Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches

Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“ — (Das Denken der Menschen ist also hier

als eine abhängige Variable der umweltlichen Einflüsse gefaßt.)

Die materialistische Geschichtsauffassung unterliegt nicht nur all’ jener Kritik,

welcher die naturalistischen Lehren überhaupt unterliegen (Widerspruch zwischen

Zweckbegriff und Mechanismusbegriff, fälschliche Annahme von Naturgesetzen

in der Geschichte); sondern sie enthält auch noch ihren eigenen inneren Wider-

spruch: die Wirtschaft ist kein Mechanismus, sondern als Inbegriff von „Mitteln

für Ziele“ etwas Sinnvolles; und ferner nicht das Herrschende, sondern das

Dienstbare

4

. — Die Ge- / Seilschaft besteht in Wahrheit nicht aus einem „Über-

1

Vgl. S. 66 f. und 130 ff.

2

In meinem Buch: Der wahre Staat (1921), 4. Aufl., Jena 1938, S. 100, haben

wir ihn eingehend dargestellt und geprüft.

3

Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1859, Vorwort.

4

Vgl. Näheres darüber in meinem Buch: Fundament der Volkswirtschafts-

lehre (1918), 4. Aufl., Jena 1929, S. 49 ff. [5. Aufl., Graz 1967, S. 66 ff.].