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Der j ü n g e r e F i c h t e

1

geht mehr theosophisch zu Werke. Der Mensch

reicht schon in diesem Leben über die Welt hinaus, wie die außerordentlichen

Seelenkräfte in ihm beweisen. Er ist zugleich Glied eines Geisterreiches. Da die

irdische Geschichte nur ein geringer Ausschnitt einer allgemeineren ist, kann sie

auch keinen geschlossenen Anblick bieten. Geschichtsbildend ist die Einzel-

persönlichkeit. Durch sie hindurch wirkt die göttliche Vorsehung. Die Hoch-

schätzung des Einzelnen geht bei dem jüngeren Fichte soweit, daß er das Über-

individuelle leugnet.

Dagegen sieht der Schotte T h o m a s C a r l y l e

2

, ein Neuromantiker,

in den großen Männern, den Helden, die Werkzeuge der göttlichen Idee. Der

Held erscheint als Gottheit, als Prophet, als Dichter, als Priester, als Schrift-

steller, als König. Überall ist es er, der einzig Schöpferische, der die schlum-

mernden Kräfte der Geschichte erweckt. In ihm findet das ganze Leben einer

Zeit seine Mitte. Niemals könnte das Große ohne den Helden geschehen. Er ist

schlechthin unersetzlich. Aus den Massen kann der große Mann nicht abgeleitet

werden. Die Massen gleichen dem Pulverstaub, der Held dem Blitze, der ihn

entzündet. Mohammed war ein solcher Blitz, Dante die Stimme von zehn

schweigsamen Jahrhunderten. Shakespeare, Luther, Cromwell, Napoleon waren

solche Beweger des Menschengeschlechts.

Ähnliches lehrte N i e t z s c h e , der auch nicht mit Unrecht vor dem töten-

den Historismus warnte.

Z u s a t z ü b e r a n d e r e g e s c h i c h t s p h i 1 o s o p h i s c h e S c h r i f t -

s t e l l e r i d e a l i s t i s c h e r R i c h t u n g

Franz Joseph M o 1 i t o r : Philosophie der Geschichte oder über die Tradition,

4 Bde, Münster. 1. Bd 1827, 2. Bd 1834, 3. und 4. Bd 1883, 2. Aufl., 1. Bd

1883; folgt der Kabbala, ist auch von Baader beeinflußt.

/

K a r l S t e f f e n s e n (siehe oben Seite 38, von Schelling und dem deutschen

Idealismus mitbestimmt).

J a c o b B u r c k h a r d t : Weltgeschichtliche Betrachtungen (aus dem Nach-

laß herausgegeben), 2. Aufl., Berlin 1910, lose aneinander gereihte Betrachtungen

mit tiefen Geistesblitzen. Burckhardt hat keine bestimmte philosophische Hal-

tung, unterliegt vielfach den individualistischen Einflüssen seiner Zeit, aber der

Geist ist ihm das Wesen des Geschichtlichen. „Alles irgendwie Überlieferte hängt

irgendwie mit dem Geiste und seinen Wandlungen zusammen und ist Kunde

und Ausdruck davon.“

H e r m a n n L o t z e : Mikrokosmos, 3 Bde, Leipzig 1856, 1858 und 1864,

besonders Bd 3, — sucht durch Entgegenkommen an den Empirismus das Lehr-

gut des Idealismus zu verteidigen. Die aufklärerische Formel Lessings vom

Zweck der Geschichte als „Erziehung des Menschengeschlechtes“ lehnt er ab, den

Wert der Persönlichkeit in der Geschichte stellt er sehr hoch.

1

Immanuel Hermann Fichte (der Jüngere): Die Seelenfortdauer und die

Weltstellung des Menschen, Leipzig 1867.

2

Thomas Carlyle: On Heroes, Hero worship and the Heroic in History

(1841), deutsch unter dem Titel: Über Helden, Heldenverehrung und das Hel-

dentümliche in der Geschichte, auch herausgegeben von August Pfannkuche in

Reclams Universalbibliothek, Nr. 4191—93.