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III. Die Fragen und Denkaufgaben des Begriffes der Geschichte

Aus dem bewegten Felde der Geistesgeschichte ziehen wir uns nun

in die Stille des begrifflichen Denkens zurück. Die erste Frage gilt

dem Begriffe der Geschichte, der, wenn er widerspruchslos gedacht

werden soll, Denkaufgaben stellt, die gründlicher Behandlung be-

dürfen.

A. Die L e u g n u n g d e r G e s c h i c h t e

Es ist ein Erbe der Aufklärung, die Geschichte als sinnvollen Zu-

sammenhang zu leugnen. Bezeichnend dafür ist die Ansicht S c h o -

p e n h a u e r s . Hören wir seine Gründe: Nur Kunst und Wissen-

schaft, so sagt er, haben es mit Ideen und Begriffen zu / tun. Sie

stellen dar, was immer ist; die G e s c h i c h t e d a g e g e n , w a s

e i n m a l i s t u n d n i e w i e d e r . Es gebe in der Geschichte

nichts wahrhaft Allgemeines, keine Universalien, nur einzelne Be-

gebenheiten und einzelne Menschen; daher in der Geschichtswissen-

schaft keine logische Einteilung, keinen systematischen Zusammen-

hang. Das Wirkliche und Besondere seien die einzelnen Menschen,

Völker und Menschheit dagegen nur Abstrakta. Er nennt die Ge-

schichte „Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer und höchstens

eine Haupt- und Staatsaktion“; die Philosophie der Geschichte das

„Verkehrteste“, eine »geistesverderbliche und verdummende Hege-

lische Afterphilosophie“

1

.

Der tiefste Grund für diese und jede ähnliche Leugnung der Ge-

schichte ist unseres Ermessens der gesellschaftliche I n d i v i d u a -

l i s m u s . Ob er es nun ausspricht oder nicht, er ist gezwungen,

nur dem Einzelnen eine Geschichte zuzugestehen, dem Ganzen, das

nur die Summe der Einzelnen ist (oder, wie Schopenhauer sagt, nur

ein Abstraktum), kann er keine zugestehen. Daher war die Auf-

klärung, wie sich schon zeigte, ihrer Richtung nach geschichts-

feindlich.

1

Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung (1819), 2. Aufl.,

Frankfurt/Main 1844, Bd 2, Kapitel 38, S. 594—598; Parerga und Paralipomena

(1851), 7. Aufl., Leipzig 1891, Bd 2, §§ 233 und 297 und öfters. Es darf aber

nicht verschwiegen werden, daß sich auch andere, mit dem Vorstehenden nicht

völlig übereinstimmende Äußerungen bei Schopenhauer finden.