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obgleich einzigartige Erscheinung, Allgemeinbegriff) schlägt die
Schlacht auf dem Lechfelde (Einzelbegriff).
Hier sind zwar Subjekt wie Prädikat geschichtlich unwiederhol-
bare Einzelne, scheinen daher „letzte“ Konkreta zu sein; aber das
Urteil zeigt trotzdem dasselbe Gefüge wie das „generelle“ und wie
jedes Urteil überhaupt, nämlich von Allgemein- und Einzelbegriff
1
.
Aus all dem ergibt sich, daß in der Begriffsbildung nicht, wie die
empiristische Logik will, das Einzelne überwunden werden müsse,
um zum Allgemeinbegriffe als dem angeblich Gemeinsamen der
Dinge zu gelangen; daß umgekehrt auch das Allgemeine nicht ver-
loren und vergessen wird, um den Individualbegriff zu bilden.
Vielmehr gilt: Das Einzelne wird behalten und bestätigt, indem
man zum Allgemeinen als zu seinem höheren Ganzen aufsteigt;
das Allgemeine wird behalten und bestätigt, indem man zum Ein-
zelnen als zum Gliede herabsteigt. Der A l l g e m e i n b e g r i f f
i s t n i c h t l e e r , s o n d e r n h a t d i e F ü l l e s e i n e r
G l i e d e r p o t e n t i e l l i n s i c h ; d a s G l i e d i s t n i c h t
n u r v o n s e i n e n e i n m a l i g e n E i g e n s c h a f t e n v o l l ,
s o n d e r n h a t a u c h d a s A l l g e m e i n e s e i n e r h ö h e -
r e n G a n z h e i t i n s i c h
2
.
/
D e r A l l g e m e i n b e g r i f f ist logisch nichts grundsätzlich an-
deres als der Individualbegriff, er drückt nur den S t u f e n w e r t
einer Ganzheit im Stockwerkbau der Gattungen, Arten, Glieder
aus. Die höchste Gattung, so zeigte sich oben, ist notwendig ebenso
einzigartig wie die niedere und wie das letzte Glied. Sofern die
höchste Gattung niedere Stufen in sich schließt, ist sie allgemein,
1
Auch an Urteilen anderer Art wie: „Dieser Mensch ist weiß“, ließe sich
dasselbe zeigen. „Weiß“ ist nur in anderem Zusammenhange ein Allgemeines,
hier ein Konkretes. Daß Prädikate in ihrem bestimmten Urteilszusammenhange
stets Konkreta sind, ist auch für die Logik und Ideenlehre von großer Bedeutung.
Vgl. dazu mein Buch: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 106 ff. und
115 ff. [2. Aufl., Graz 1969, S. 100 ff. und 107 ff.].
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In der Aristotelischen Logik mit ihrer absteigenden Begriffsbildung, vom
genus proximum durch Hinzufügung der differentia specifica absteigend zu
immer niederen Artstufen, sind die Forderungen einer ganzheitlichen Logik
grundsätzlich erfüllt. Desgleichen in der H e g e l i s c h e n Logik. Dagegen ist
der neue Versuch, von den „Axiomen“ auszugehen, unzulänglich. Axiome sind
Allgemeinbegriffe, die dem letzten Wesen jener Ganzheiten entstammen, die sie
betreffen, daher können sie über den Stufenbau der Ganzheiten nie hinausführen.
Auch das „Fiktive“ an ihnen muß in der Wirklichkeit seinen Grund haben.