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sofern sie höhere über sich hat, ist sie besonders, einzigartig. E s
g i b t n u r K o n k r e t a l l g e m e i n e s . Das Reinallgemeine
oder „Abstraktallgemeine“ ist nur eine Hilfsvorstellung (Fiktion),
eine solche nämlich, die das Allgemeine abgelöst von den unter
ihm befaßten Unterganzheiten, Gliedern, Einzelnen betrachtet. E s
g i b t n u r A l l g e m e i n k o n k r e t e s . Das Reineinzelne,
Reineinmalige ist nur eine Hilfsvorstellung (Fiktion), die das Ein-
zelne abgelöst von seiner Ganzheit oder Allgemeinheit, unter der
es befaßt ist, betrachten will, das heißt es nicht als gliedhaft be-
trachten will.
Das Reineinmalige wäre, wie schon gesagt, weder vorstellbar noch
begrifflich denkbar. Der Begriff des Einmaligen, z. B. Otto I., ist
nur deshalb nicht denkunmöglich, weil er nicht isolierte Einmalig-
keiten an sich erfaßt, sondern weil er diese als Glieder erfaßt und
damit stets die höhere Gattung, das „Allgemeine“ mitdenkt, mit-
enthält. Umgekehrt sind auch die Begriffe der höheren Ganzheiten
oder Allgemeinheiten nur dadurch möglich, daß sie (1) die konkrete
Existenz dieser Allgemeinheit, nämlich als Ganzheit bestimmter
Stufe, mitenthalten und (2) auch die von ihnen befaßten Unter-
ganzheiten der Möglichkeit nach mitenthalten.
Indem Ich sage: „Dieser Mensch, Otto I.“ oder „dieser rotbärtige Friedrich“,
kann ich diesen bestimmten Otto nur als „Menschen“ (Gattung), nur als „Kaiser“
(Gattung!), nur als „Ritter“ (Gattung!), nur als „Familienvater“ und „Haupt
des Hauses“ (Gattung!) denken. Immer / wieder zeigt sich, daß nicht wahr ist,
was die empiristische Logik behauptet, wir würden durch eine unendliche Man-
nigfaltigkeit von einzelnen Merkmalen (die zuletzt aus der Sinnlichkeit kommen)
gleichsam durch schrittweises Aussieben den Allgemeinbegriff bilden. Nie und
nimmer könnten wir auch nur den einfachsten Begriff bilden — wie „dieser
Otto“, „diese Rotwangige, meine Mutter“; „dieser Lächelnde“ — w e n n w i r
n i c h t s o g a r s c h o n i n d e n s i n n l i c h e n E i n d r ü c k e n d a s A l l -
g e m e i n e m i t d ä c h t e n .
Es folgt daraus: daß es e i n e n s i n n l i c h e n E i n d r u c k a n s i c h
s e l b s t n i c h t g i b t ! Notwendig sind die höheren Geistestätigkeiten als
das Auffassende, Formende, Einbeziehende mit dabei. Das kann man gegenüber
der herrschenden sensualistischen Auffassung nicht genug betonen.
Von Grund auf verfehlt ist darum auch die empiristische — aber
selbst in der Aristotelischen, Kantischen und Hegelischen Logik
noch in mannigfaltiger Gestalt mit unterlaufende — Ansicht: Als
ob sich das Denken erst langsam aus den sinnlichen Empfindungen
und sinnlichen Erlebnissen emporleiten und emporringen müsse
(wie es denn auch in diesem Sinne keine „Induktion“ gibt). Würde