98
[107/108]
man in der Abstraktion, im Weglassen ging, so daß zuletzt nur das
leere „Sein“ verbliebe. Das ist grundfalsch. Wir bestreiten auch
umgekehrt, daß der Individualbegriff „voll“ sei, indem er angeblich
durch Hinzufügen von Merkmalen, durch „Determination“ (die
das Gegenteil von „Abstraktion“ sein soll) entstünde. Diese Ansicht
der herkömmlichen Logik, welche die Merkmale zahlenmäßig und
losgelöst (isoliert) behandelt, ist unhaltbar. Und ebenso ist es das
daraus folgende „Gesetz“ des umgekehrten Ver- / hältnisses von
Inhalt und Umfang des Begriffes
1
. Will man überhaupt die Anzahl
der Merkmale ins Auge fassen, was aber nur uneigentlich geschehen
kann, so behaupten wir: daß der Allgemeinbegriff und der Einzel-
begriff gleichviel Merkmale haben können. Denn der Unterschied
beider liegt ja, wie immer wieder zu sagen, nur darin: daß der
A11 g e m e i n b e g r i f f die h ö h e r e S t u f e d e r G a n z -
h e i t e r k e n n t u n d d i e n i e d e r e n S t u f e n in Schwebe
s e t z t ; d e r E i n z e 1 b e g r i f f a b e r d i e n i e d e r e
S t u f e e r k e n n t u n d d i e h ö h e r e in Schwebe setzt, indem
nämlich der Allgemeinbegriff die niederen Ganzheiten und Glieder
potentiell (unentwickelt) mitenthält; der Einzelbegriff die höheren
und höchsten Ganzheiten potentiell (unentwickelt, vorausgesetzter-
weise) mitenthält.
Daher gilt: „ A b s t r a k t i o n “ , A l l g e m e i n e s d e n k e n
h e i ß t n i c h t „ w e g l a s s e n “ , s o n d e r n a u f d a s
H ö h e r e
s e h e n ;
„ D e t e r m i n a t i o n “ ,
E i n z e l n e s
d e n k e n h e i ß t n i c h t „ h i n z u f ü g e n “ , s o n d e r n a u f
d a s N i e d e r e s e h e n. Es ist ein und dieselbe Grundtat des
Denkens, die den Allgemeinbegriff und den Einzelbegriff denkt:
sie denkt immer Bestimmtes, aber mit verschiedenem Stufenwert.
Hat das Gedachte höheren Stufenwert, so denkt sie Allgemeineres,
hat es niederen Stufenwert, so denkt sie Gliedhafteres. Die Grund-
tat der Begriffsbildung besteht, so können wir es auch ausdrücken,
stets darin: daß die j e w e i l s b e g r ü n d e n d e , b e s t i m -
m e n d e A u s g l i e d e r u n g s h a n d l u n g d e r b e t r e f -
f e n d e n G a n z h e i t e r k a n n t w i r d — man kann auch
1
Die Größe des Umfanges hängt lediglich von der Ausgliederungsmacht der
Ganzheit ab, die in der Qualität der Merkmale zum Ausdruck kommt, aber
mit ihrer Zahl nichts zu tun hat.