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men. Das macht: Alles Besondere ist im Ganzen (Allgemeinen) und
alles Ganze ist im Besonderen, im Gliede. Darum gibt es auch
kein l e t z t e s Allgemeines, worunter jene Logik fälschlich das
„Sein“ verstand, das unterschiedslos wäre und allem gleich zukäme;
und darum gibt es auch kein letztes Besonderes. Denn das höchste
Allgemeine ist nicht das Leerste, das Sein, sondern das Vollste: ist
Gott — zugleich das umfassendste, allgemeinste wie das einzigste,
urbesondere Wesen; das jeweils scheinbar letzte Besondere der Ge-
schichtsschreibung z. B. „dieser Kaiser Otto I.“, ist doch zugleich
Glied des „Staates“, des „Volkes“, der „Religion“, und vieler an-
derer Ganzheiten, ist / also Besonderheit nur in und durch Allge-
meinheit. — Jedes „Allgemeine“, so ergibt sich, ist als die ganz
bestimmte Gattung und die ganz bestimmte Stufe in dem Stock-
werkbau der Gattungen einzig, individuell, konkret, geschichtlich;
jedes „Besondere“ ist als niedere Art und niedere Stufe zugleich
allgemein und mit den Merkmalen der höheren Stufe (entspre-
chungsgemäß) ausgestattet. Der B e g r i f f d e s A l l g e m e i -
n e n s c h l i e ß t n o t w e n d i g e i n K o n k r e t e s i n s i c h ,
d e r B e g r i f f d e s K o n k r e t e n s c h l i e ß t n o t w e n d i g
e i n A l l g e m e i n e s i n s i c h ! „Allgemein“ und „besonders“
oder „einmalig“, „einzig“ sind daher erstens nur v e r h ä l t n i s -
m ä ß i g e Bestimmungen, je nachdem sie nämlich in der Stufen-
leiter der Ganzheit als diejenigen, die etwas unter sich befassen
(Eichenheit befaßt die Eichen), oder als diejenigen, die etwas über
sich haben (Baumheit ist über Eichenheit) betrachtet werden; sie
sind zweitens noch notwendig w e c h s e l s e i t i g e Bestimmun-
gen. Sie sind also keine unbedingten, keine einander ausschließenden
Gegensätze, sondern einander fordernde Ergänzungen: sie sind Ent-
sprechungen.
Ist nun aber jedes Allgemeine in sich selbst konkret (als von noch
Höherem befaßt), jedes Konkrete allgemein (als ein noch Tieferes
befassend), so ergibt sich daraus auch das wahre Verhältnis von
A b s t r a k t h e i t u n d A n s c h a u l i c h k e i t . Der Gegensatz
von Abstraktion und Anschaulichkeit ist kein echter Gegensatz.
A l l e s A l l g e m e i n e i s t a n s c h a u l i c h , w e i l u n d
s o f e r n e s k o n k r e t i s t . Das Allgemeine ist nur die An-
schauung der höheren Stufe. Der Begriff „Otto der Goße“ ist an-
schaulich, der Begriff „Menschheit“ ist gleichfalls anschaulich; man