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ist es wichtig, das zu beachten. „Verfall“ ist fast immer schon am

Anfang, es kommt nur darauf an, wann und wie der Verfall — das

Fehlerhafte der Gründung, das Fehlerhafte der Entfaltung, das Feh-

lerhafte der Gegenentfaltungen — überwunden wird oder schließ-

lich obsiegt.

In Wahrheit ist die Sache immer noch dadurch verwickelter, als

es all die angeführten Gerüste erkennen lassen, daß nicht nur keine

Gründung eine völlig reine Gründung, keine Entfaltung eine völlig

reine Entfaltung ist; sondern andrerseits auch keine Fehlentfaltung

eine völlig fehlerhafte ist; und schließlich auch keine vereitelnde

oder Unholdische Gegenentfaltung durch und durch unholdisch und

fehlerhaft wäre. Wir können das in folgenden Sätzen ausdrücken:

Keine Fehlgründung ist vollständige Fehlgründung;

keine Fehlentfaltung ist vollständige Fehlentfaltung;

keine gesundende Gegenentfaltung ist vollständig gesund (sie ist

selbst wieder fehlerhaft in sich).

Daraus folgt, daß die Geschichte kein einfacher Fortgang von

Gründung, Entfaltung oder Verfall ist. Es gibt in der Geschichte

nicht einfach gute Heilungen und Entfaltungen, auch / nicht ein-

fachen (vollständigen) Verfall und ebensowenig gibt es reine Wie-

derherstellungen und Neuauferstehungen. Vielmehr ist die Ge-

schichte ein unendlich verwickeltes Gewebe von Wesensgemäßem

und Wesenswidrigem, Lebensfähigem und Lebensunfähigem, Ge-

sundem und Krankem.

Wenn keine Fehlgründung und keine Fehlentfaltung in jeder

Hinsicht fehlerhaft ist, so heißt dies, daß sie z u g l e i c h in der

einen Hinsicht Verfall, in der anderen eine Vervollkommnung be-

deutete. So war der Individualismus und Liberalismus grundsätz-

lich eine dämonische und zur Zerstörung führende Fehlentfaltung,

i n s o f e r n er aber starre und unfruchtbare Bindungen beseitigte,

war er eine Vervollkommnung, die, für sich selbst betrachtet, einen

neuen, frischen Zug im Leben brachte.

Versuchen wir, dem Gesagten ein zeichnerisches Bild zu geben,

so haben wir zuerst dem Irrtum der Fortschrittslehre und der

Lebensstufenlehre entgegenzutreten. Nach ersterer würde sich die

Entwicklung einfach durch eine aufsteigende Linie oder Kurve,

mit oder ohne Rückschläge ergeben (was wir nicht abzubilden brau-