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und was an der Zeit ist“

1

. Was Hegel mit diesem Worte ausdrücken

wollte, war: das Enthaltensein der Leistung des großen Führers im

dialektischen Fortgange der Geschichte. Auch dessen tiefe Bezogen-

heit zu den übersinnlichen Mächten der Geschichte sollte damit zum

Ausdrucke kommen. Aber bei Platon und Fichte ist der große

Mann schlechthin derjenige, der die Ideenwelt erschaut und das Er-

schaute weitergibt. Er tritt daher von Anbeginn als der Mittler /

zwischen dem Menschengeschlechte und dem Übersinnlichen auf, so

daß seine Stellung zum Übersinnlichen eine viel beherrschendere

Bedeutung hat als bei Hegel. Hegel fügte die berühmte Lehre von

der „List der Vernunft“ hinzu, derer wir früher schon gedachten.

„Das ist die List der Vernunft zu nennen, daß sie die Leidenschaften

für sich wirken läßt, wobei das, durch was sie sich in Existenz setzt,

einbüßt und Schaden leidet“

2

. Darnach benützt die Weltvernunft

die Leidenschaften des großen Mannes für die Erreichung ihrer

Zwecke, um ihn dann fallen zu lassen. „Nichts Großes in der Welt

ist ohne Leidenschaft geschehen“, sagt Hegel.

Trotz des genialen und richtigen Kernes der Hegelschen Fürstenlehre bleibt

ein unbehagliches Gefühl zurück. Es beruht zuerst darauf, daß eine r e l a t i v i -

s t i s c h e Folgerung sich aufzudrängen scheint. Wenn nämlich nur derjenige

der große Mann ist, der tut, was jeweils nötig war, nicht derjenige, der die

Wahrheit schlechthin tut und sagt, sind dann Erfolg und Größe nicht allzu eng

verbunden? Spricht doch gerade der Lauf der Dinge dafür, daß das Größte dar-

auf verzichten muß, der Mitwelt zu gefallen. Vor allem aber scheint aus dem

dialektischen Zusammenhange ein geradliniger F o r t s c h r i t t s g l a u b e un-

vermeidlich zu folgen. Denn der jeweils spätere dialektische Schritt faßt syn-

thetisch alles Frühere zusammen und überhöht es. Endlich muß durch den

ununterbrochenen dialektischen Fortschritt der V e r f a l l geleugnet werden,

der doch ohne Zweifel in der Geschichte auch in den besten Zeiten am Werke

ist. Im dialektischen Verfahren liegt zwar, daß es eine „Negation“ gibt, aber

1

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der

Geschichte ( = Reclams Universalbibliothek, Bd 4881—85, S. 67).

2

Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (= Reclams Uni-

versalbibliothek, Bd 4881—85, S. 70). — Eine gleiche Ansicht vertrat Goethe:

„Der Mensch muß wieder ruiniert werden. Jeder außerordentliche Mensch hat eine

gewisse Sendung, die er zu vollführen berufen ist. Hat er sie vollbracht, so

ist er auf Erden in dieser Gestalt nicht weiter vonnöten, und die Vorsehung

verwendet ihn wieder zu etwas anderem. Da aber hienieden alles auf natürlichem

Wege geschieht, so stellen ihm die Dämonen ein Bein nach dem anderen bis er

zuletzt unterliegt. So ging es Napoleon...“ (Johann Peter Eckermann: Ge-

spräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 1823—1832, Bd 1 und 2

Leipzig 1837, Bd 3 Magdeburg 1848, Gespräch vom 11. März 1828).