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liche Lehren, von denen wir früher schon sprachen. Alle diese Lehr-
begriffe sind grundsätzlich unvollziehbar, leeres Geschwätz, Wider-
sprüche in sich selbst (was freilich nicht ausschließt, daß zum Teil
auch richtige Beobachtungen damit verbunden wurden). Das Me-
chanische kann nicht das Zweckhafte, das Tote nicht das Lebendige
aus sich hervorbringen. Der Zweck kann nicht in der Retorte ge-
kocht werden.
Aber zeugt nicht die S p r a c h e d e r T a t s a c h e n für den
Naturalismus? — Die reine Tatsachenfeststellung der Paläontologie
kann keineswegs entscheiden. Sie zeigt schließlich nichts anderes als
Lebewelten ohne den Menschen. Doch ist auch dieses Ergebnis kei-
neswegs endgültig. Denn in untergegangenen Kontinenten, die jetzt
vom Meere bedeckt sind, können sich andere Reste von Lebewesen
finden, welche die jetzige Anordnung über den Haufen werfen.
Getraut sich jemand mit Sicherheit zu sagen, daß die Paläontolo-
gie nach tausend Jahren nicht wesentlich anders aussehen werde?
Überdies ist es das Mißlichste, / philosophische Lehren an den
augenblicklichen Stand einer Erfahrungswissenschaft anzuknüpfen.
Nicht der augenblickliche Stand der Erfahrung, sondern ihr grund-
sätzlicher Begriffsgehalt ist philosophisch maßgebend.
Tiergeschichte und Geistesgeschichte stehen heute jedenfalls in
schroffem Widerspruche zueinander. Die Sprachgeschichte zeigt uns
in den dunkelsten Urzeiten die ausgebildetsten Sprachen. Am ersten
Anfang der Zeugnisse menschlicher Kunst stehen Werke höchster
Vollendung, weshalb sie auch von den darwinistisch und materia-
listisch eingestellten Forschern des vorigen Geschlechtes lange hart-
näckig nicht gesehen sein wollten. Wir meinen die sogenannten pa-
läolithischen Kunstwerke, insbesondere die Höhlenzeichnungen
1
,
deren künstlerische Höhe z. B. auch von den Japanern oder Leo-
1
Die ersten Funde der eiszeitlichen Höhlenzeichnungen reichen schon in die
40er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Die Höhle von Altamira wurde 1868,
dann wieder 1878 entdeckt. Man wollte aber von den Bildern nichts wissen, man
lachte darüber. 1882 erklärte man die Bilder von Altamira auf einem anthropo-
logischen Kongresse in Frankreich für eine Falle, welche spanische Kleriker den
französischen Prähistorikern legen wollten. Immer wieder jedoch wurden in
neuen Höhlen Bilder entdeckt. Stellenweise lagen sie unter einer meterstarken
Sinterschicht, die sich nur in Jahrtausenden gebildet haben konnte. Aber es nützte
nichts. Erst nach 1900 setzte sich die Anerkennung der Echtheit und des hohen
Alters der erstaunlichen Gemälde langsam durch.