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Jahrhunderten leben und doch kein seßhaftes Volk werden; es ist ein Wunder,
daß das kleine Volk der Juden seit Jahrtausenden auf der ganzen Erde verstreut
wohnt, nicht einmal eine eigene Sprache spricht, zum Teil auch an die eigene
Religion nicht mehr glaubt und dennoch ein Volk bleibt — Wunder, oft dunklen,
unerforschlichen Sinnes.
Wo bleibt da überall der Naturalismus mit seiner Umweltlehre, Anpassungs-
lehre, sozialen Physik, sozialen Statik und Dynamik, natürlichen Gesetzmäßig-
keit der Entwicklung? Aller Naturalismus zerflattert wie ein böser Spuk, sobald
er ins Licht der Geschichte tritt.
3.
Einheit oder Vielfalt des Menschengeschlechtes?
Eine andere Frage, die der Naturalismus aufwarf und den Anfang
des Menschen in neues Licht rücken sollte, betrifft die Einheit des
Menschengeschlechtes. Er wagt, sie zu bezweifeln, indem er die Ab-
stammung des Menschen aus verschiedenen affenähnlichen Arten
behauptet, die sogenannte „polygenetische Hypothese“ aufstellt.
Mit den Menschenstämmen sollen auch die Kulturen grundverschie-
den, unvergleichbar sein! Abendland, näheres Morgenland, ferneres
Morgenland, Halbkulturvölker, Naturvölker sollen derart verschie-
den sein, daß von einem gemeinsamen Kulturinhalte der heutigen
wie auch der früheren Menschheit angeblich nicht geredet werden
könne. Zu solchen Behauptungen, welche die ganze Geistesblindheit
unserer Zeit bekunden, wagt sich heute der Naturalismus vor. Sie
müssen geprüft werden.
Die biologische Frage der Einheit der Menschenstämme (Rassen)
erledigt sich — außer durch die Unsinnigkeit jeder Abstammungs-
lehre — grundsätzlich durch den Vorrang des Geistes vor seinen
leiblichen Unterlagen. Sobald die Leiblichkeit vielfältig, in Men-
schenschlägen, auftritt, hat sie eine Spaltung oder / Gliederung des
Geistes schon zur Voraussetzung. (Es ist allerdings hoffnungslos, das
unseren materialistischen Naturforschern zu erklären.) — Tolldreist
hingegen mutet die neueste Behauptung der Unvergleichbarkeit der
Kulturen und der Getrenntheit ihrer Geschichten an. Ihre geistige
Einheit im Sinne der Gemeinsamkeit eines wesentlichen Grund-
stockes ist von allen Geschichtsschreibern der Erde anerkannt wor-
den, bis der Naturalismus von gestern aufkam. Wir behaupten mit
allen früheren Geschichtsschreibern die Einheit der Kulturen. Und
gerade die neuesten Forschungen, z. B. von Frobenius, der die Kul-