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2. Von den sogenannten Entwicklungsgesetzen der Geschichte

Nicht nur die Anknüpfung der Geschichte an Paläontologie und

Erdgeschichte muß abgelehnt werden, auch die Übertragung / der

naturwissenschaftlichen Gesetze auf die Geschichte überhaupt. Es

versteht sich nach der geschichtlichen Kategorienlehre von selbst,

daß es „Entwicklungsgesetze“ im Sinne naturhafter Notwendigkeit

in der Geschichte nicht geben kann. Wir fanden bei Lasaulx, Vico,

Spengler und anderen solche Vorstellungen. Aber, das zeigt sich bei

näherer Prüfung leicht, jede Annahme eines mechanischen „Ent-

wicklungsganges“ ist ein naturalistischer Irrtum. Es gibt eine innere

Logik (das heißt ideelle Erfordernisse) der Entfaltung und Vertie-

fung, es gibt Verfall und Wiederherstellung in der Geschichte, aber

nirgends naturhafte Notwendigkeit. Unsere Untersuchungen über

„Gründung und Entfaltung“ zeigten, daß es nirgends einen natur-

haften „Entwicklungsgang“ oder „Kreislauf“, weder der Staatsfor-

men und politischen Staatsgrundsätze, noch der Verfassungen (z. B.

angeblich zwischen Demokratie und Despotie) noch auch einen

„dialektischen“ Fortgang im zwangsläufigen Sinne gibt. Wer an

solche naturhafte Vorgänge in der Geschichte glaubt, weiß nichts

von ihrer Geistigkeit.

Überall herrscht Freiheit oder auch Willkür, herrscht Logik oder auch Un-

logik des Geistes in der Geschichte. Solche Freiheiten, solche Wunder des Geistes

sind in der Geschichte mit Händen zu greifen.

Es war ein Wunder des Geistes, daß die kleinen, unter sich uneinigen Grie-

chenstaaten den riesigen Perserheeren widerstehen konnten; es war ein Wunder,

daß aus dem kleinen Bauernstaate der Römer sich das größte Reich der Erde

entwickeln konnte; es war ein Wunder, daß das schwächere Rom über das weit

stärkere Karthago zu siegen vermochte; es war ein Wunder, daß die Lehre Lu-

thers sich solange unbeachtet von Rom ausbreiten konnte, bis sie fähig war, den

Kampf aufzunehmen; es war ein Wunder, daß der deutsche Protestantismus, der

1629 so gut wie vernichtet war, durch das unerwartete Auftreten Gustav Adolfs

(1630) gerettet wurde; es war ein Wunder, daß die erschöpften, verkleinerten

Staaten Österreich und Preußen den überlegenen und unüberwindlichen Napoleon

1813, 1814, 1815 in so vielen Schlachten schlagen konnten; es war ein Wunder,

daß das kleine Preußen sich über das vielfach überlegene Österreich stufenweise

zu erheben und es schließlich aus dem Reiche auszuschließen vermochte; es war

ein Wunder, daß eine handvoll Menschen aus der arabischen Wüste hervorbra-

chen, die Welt mit dem Schwerte eroberten / und ihr ihre Religion aufzwangen;

es war ein Wunder, daß die „ersten großen Kulturen der Geschichte“ in aus-

gesprochen ungünstiger Umwelt erschienen, in dem steinigen Mesopotamien und

der versumpften Nilebene, ähnlich Rom in der versumpften Tibergegend; es ist

ein Wunder, daß die Zigeuner unter den europäischen Kulturvölkern nun seit