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nämlich darin, daß das Vermittelte, Begrenzte, Bestimmte, Beson-
dere unseres Wesens in ihnen sehr verringert, ja annähernd auf-
gehoben ist. In aller Innerlichkeit, Gesammeltheit, Taumel, Verzüc-
kung tritt der rein ganzheitliche Zustand zutage, / der den Grund
unseres Wesens ausmacht, aber im gewöhnlichen Leben durch die
Vermittelungen verdeckt wird. Einheit im höchsten Sinne, Ganz-
heit im höchsten Sinne, Überwindung der Zerstückeltheit, Geteilt-
heit, Überwindung der Räumlichkeit und selbst der Zeitlichkeit,
das ist es, was in Versenkung und Verzückung hervortritt. Hier
ist Heilkraft in jedem Sinne. Ein Berühren des Überzeitlichen, des
Unmittelbaren schlägt vor (denn unbewußt ist es ja immer am
Grunde), das, was Einheit, aber nicht leere Eins, nicht leere Ein-
fachheit ist, sondern Fülle, was uns ganz innerlich wird, durch
Mark und Bein dringt und nur mit dem Worte Leben angedeutet
werden kann.
In dieser Einheit eben ist es, worin die Uberzeitlichkeit und da-
mit die Überwindung der Geschichte beruht. In dieser Berührung
liegt daher verdichtete Zeit, wie „der Mönch von Haisterbach“,
„die Elfen“ von Tieck es erzählen.
Um das Verhältnis des Unmittelbaren (Zeitlosen) und des Mit-
telbaren ganz zu erkennen, ist es notwendig, sich die Rolle von
schauenden und ekstatischen Zuständen im gewöhnlichen Leben
klar zu machen. Die reine Verzückung ist ja unserem irdischen
Lebens- und Geisteszustande nicht angemessen. Denn dieser ist
eben durch Vermittelung, Zeitlichkeit, Räumlichkeit (die Entspre-
chung der Zeit) gekennzeichnet. Wir leben nicht in reiner Inner-
lichkeit, wir leben nicht im Schauen. Aber ein verhängnisvoller
Fehler wäre es, nun den gegenteiligen Zustand, den Zustand der
Äußerlichkeit, der Vermittelung und Teilung als einen solchen auf-
zufassen, der ganz und schlechthin unekstatisch, der ausschließlich
und durchaus äußerlich bestimmt wäre, der also z. B. bloß mecha-
nisch-atomistisches Gepräge trüge. Kaum ein Irrtum hat schlim-
mere Folgen. Es ist im Gegenteile eine Grundtatsache unseres
Lebens, daß nichts Äußerliches ohne Inneres möglich ist, darum
auch kein Geisteszustand in uns, der von allem Ekstatischen frei
wäre. Ohne den Grund der Unmittelbarkeit könnte nichts Ver-
mittelndes, ohne berührende Inner- / lichkeit könnte nichts Äuße-
res an unserem Geistes- und Leibesleben bestehen. Alle unsere ge-