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Inneren
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“, ist heute wie immer für alle in der großen abendländischen
Tradition stehende Naturphilosophie richtunggebend.
Eine die Problemlage unserer Zeit bewältigende Naturphilosophie
wird zu Spanns Werk im Verhältnis der „Umgliederung“ stehen
müssen, wird eine Weiterführung dieser großen Metaphysik der
Natur sein, eine Umgliederung, wie sie der lebendigen Dynamik des
ganzheitlichen Denkens entspringt und entspricht und wie sie der
Meister der ganzheitlichen Philosophie gewünscht hat.
Diese Naturphilosophie wird eine Fülle neuentdeckter Ganzheits-
bedingungen in den Bereich ihrer Untersuchungen einbeziehen können.
Sie wird darauf verweisen müssen, daß in der Physik unserer Tage
schon die Grundbausteine der Materie, die Kerne, die Atome und die
Moleküle, ganzheitliche Strukturen sind, deren Ordnung nicht aus ihren
Elementen und deren Beziehungen erklärt werden kann, sondern nur aus
den Bedingungen, die sie zu Struktureinheiten zusammenfassen, wie
die Quantenbedingungen der Elektronenbahnen, das Pauli-Verbot und
das Prinzip von Fermi. Sie wird auch die ganzheitlichen Züge der durch
die allgemeine Relativitätstheorie festgelegten Raum-, Zeit- und Ma-
terieunion zu berücksichtigen halben.
Sie kann dabei aufzeigen, daß sich Othmar Spanns Anschauungen von
der ganzheitlichen Struktur der Natureinheiten immer mehr durchge-
setzt haben, sowohl im materiellen wie im dynamischen Bereich. Sie wird
feststellen müssen, daß sich ganzheitliche Züge in den Reaktionen der
Atomkerne zeigen und daß die Atome im Aufbau des Anorganischen
wahrscheinlich eine ähnliche Rolle spielen wie die Zellen im biologischen
Bereich.
Auch die Moleküle enthüllten sich der Forschung als höhere Ganzhei-
ten, in die die Atome als Glieder eingehen und hiebei sich der Eigenart
der neuen Ganzheit entsprechend verändern, sich aber potentiell erhal-
ten, so daß sie nach Zerfall der Moleküle wieder in voller Eigenart und
Selbständigkeit in Erscheinung treten können.
Die Erforschung der Struktur der Kristalle bestätigte manche Ver-
mutungen Othmar Spanns und ließ die Kristalle als neue, höhere
Ganzheiten und Sondergestalten der Natur erkennen, in denen die
Atome in eine neue Form der Gliedhaftigkeit eintreten.
Die physikalische Entwicklung seit 1937 rechtfertigte die Grundan-
schauungen der Naturphilosophie Othmar Spanns in umfassenderer Wei-
se, als der Denker dies zu erhoffen wagte. So ist heute seine Naturphilo-
sophie zeitgemäßer als in den Jahren ihres Entstehens und bietet der
naturphilosophischen Arbeit unserer Zeit die fruchtbare Grundlage
vieler neuer Zielsetzungen und Aufgaben.
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Naturphilosophie, S. 5.