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nur so weit, soweit sie das Stoffliche durchwalten und es sich rück-

verbinden können.

Der Geist selbst kann nicht in Natur übergehen, denn er kann sich

nicht verräumlichen, wohl aber kann er sich mit der Natur verbinden.

„Nur s o l c h e Wesenheiten oder Mächte bilden die letzte Grund-

lage der Natur, deren Eigentümlichkeit und Urtat es ist, sich zu ver-

räumlichen

1

.“ Diese von Gott geschaffenen Mächte (mit ihren eigenen

Schicksalen) „bilden die Innerlichkeit der Natur, in ihrer Einheit

nannte sie die uralte Weisheit W e l t s e e l e o d e r W e l t g e i s t“

2

.

Spann deutet die umfassende Ganzheit dieser natursetzenden Mächte

als erlebendes, als Sinnenwesen. Daß er es manchmal auch als Welt-

geist bezeichnet, sprengt seinen ursprünglichen Geistbegriff

3

. Das

Innere der Natur und der sie setzenden immateriellen Mächte ist uns

nach Spanns Überzeugung nicht völlig unerreichbar. In manchen Sinnes-

erlebnissen, besonders im Sehen und Hören, ist uns dieses Innerliche

des Stoffes wenigstens in Annäherung zugänglich. „Unsere Sinnes-

empfindung ist die Rückverbindung unseres Geistes mit der Inner-

lichkeit der Natur, der Weltseele

4

.“

Verräumlichung aber führt nach Spann nicht bloß zur Ausdehnung,

sondern vor allem zur Gestaltung. Es gibt ja keinen ungestalteten,

keinen formlosen Stoff. Gestalt ist aber nicht nur durch räumliche

Begrenzung, sondern auch durch Wechseldurchdringung und ganz-

heitliche Synthese von Qualitäten gekennzeichnet.

Durch diese wird Gestalt zum Ausdruck und Sinnbild und häufig

auch zu einem Gebilde eigener Schönheit. Als kennzeichnendes Beispiel

dieser Art von Gestaltbildung stellt Spann die Kristallbildung in den

Mittelpunkt seiner Untersuchungen.

Der Raum selbst ist Spann eine Urgegebenheit der stofflichen Welt,

die wir nicht weiter ableiten können, die wir hinzunehmen haben. Der

Geist kann die räumliche Ordnung nie begreifen, er kann sie nur

anschauend betrachten. Ebenso wie der Raum ist seine dreidimensionale

Ordnung eine letzte Gegebenheit, die nicht abgeleitet werden kann.

Ist der Raum nur eine Urgegebenheit des Stofflichen, so gehört die

Zeit der stofflichen und der geistigen Seinsordnung an. Sie ist die

Seinsform alles Geschehens, aller Umgliederung.

Alle Wirklichkeit ist nach Spann ganzheitlich aufgebaut. In ihr glie-

dern sich Ganzheiten aus, leben und wirken in den Gliedern. Diese

Ausgliederung ist aber nicht endgültig, sondern die Ganzheiten neh-

men ständig Glieder zurück und gliedern neue aus, das heißt, sie

gliedern um.

Diese Umgliederung vollzieht sich in der Zeit. Diese Umgliederung

ist nötig, da die geschaffenen Ganzheiten sich nicht in einem einzigen

1

Naturphilosophie, S. 49.

2

Naturphilosophie, S. 231.

3

Naturphilosophie, S. 232.

4

Naturphilosophie, S. 233.