Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6893 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6893 / 9133 Next Page
Page Background

269

Möglichkeiten erreicht Spanns Naturphilosophie ihren Höhepunkt und

ihren Abschluß.

Spann weiß um den Ursprung der Natur aus Gott, er weiß aber

auch um ihre Unvollkommenheiten, um ihre Gebrochenheit. Diese

scheint ihm auf Fehlentfaltung und Zerrüttung im Reich ihrer ge-

staltenden Mächte zu deuten.

Die letzte und tiefste Einsicht aber in das Wesen und Eigensein

der Natur vermittelt uns nach der Überzeugung unseres Denkers die

S e l b s t e r k e n n t n i s : „Erkenne dich selbst, damit du die Natur

erkennst und das Enthaltensein des Geistes wie der Natur im ge-

meinsamen Urgrunde

1

.“

Damit sind in knappster Weise die grundlegenden Aspekte und

Motive der Naturphilosophie Othmar Spanns gekennzeichnet, zumeist

durch die Worte des Philosophen selbst, der ja immer sein bester

Interpret ist. Diese Naturphilosophie ist bis jetzt kaum beachtet

und noch viel weniger gewürdigt worden. Sie erschien ja knapp vor

der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und ist in den Nachkriegs-

jahren vergessen gewesen, und doch steht sie ebenbürtig neben den

großen naturphilosophischen Werken Hans Drieschs und Aloys Wenzls.

Langsam aber wird die Zeit für die Erkenntnis ihrer Bedeutung,

für ihr Weiterwirken reif.

Von grundlegender Bedeutung für die Naturphilosophie unserer

Zeit ist Spanns Einsicht in das Eigensein der Natur und der aus dieser

Einsicht sich ergebende realistische Dualismus von Geist und Natur.

Die Natur als Welt des Stofflichen ist ihm ebenso ursprünglich wie die

Welt des Geistes.

Beide Welten aber sind einander zugeordnet, die Natur dem Geist

als Mittel und Ausdruck, aber auch als schöpferischer Quell für seine

volle Entfaltung, der Geist der Natur als Sinngeber ihrer Gestalten.

Im Innewerden der elementaren Natur, im Bewußtwerden ihrer

Gründe, ihres Zusammenhanges mit seinem tiefsten Wesen erfährt

der Geist seine volle Entfaltung

2

. Die Natur „kommt nicht als Bettler

zum Geiste“

3

, der Reichtum ihrer Gestalten ist die Grundlage seines

Schöpfertums. In der Hingeordnetheit der Natur auf das Leben, des

Lebens auf den Geist erkennt Spann eine Grundtatsache des Seins

und einen Grundzug der Natur

4

.

In ihrem realistischen Dualismus, aber auch in der Fülle ihrer Einzel-

erkenntnisse und zielsetzenden Aspekte ist Spanns Naturphilosophie

für unsere Zeit bedeutsam. Auch ihr methodischer Ansatz, dem Eigen-

sein der Natur näherzukommen, „nicht allein durch Befragung der

äußeren Erfahrung, sondern zuletzt durch Befragung des menschlichen

1

Naturphilosophie, S. 259.

2

Naturphilosophie, S. 256.

3

Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 433.

4

Naturphilosophie, S. 257f.