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Möglichkeiten erreicht Spanns Naturphilosophie ihren Höhepunkt und
ihren Abschluß.
Spann weiß um den Ursprung der Natur aus Gott, er weiß aber
auch um ihre Unvollkommenheiten, um ihre Gebrochenheit. Diese
scheint ihm auf Fehlentfaltung und Zerrüttung im Reich ihrer ge-
staltenden Mächte zu deuten.
Die letzte und tiefste Einsicht aber in das Wesen und Eigensein
der Natur vermittelt uns nach der Überzeugung unseres Denkers die
S e l b s t e r k e n n t n i s : „Erkenne dich selbst, damit du die Natur
erkennst und das Enthaltensein des Geistes wie der Natur im ge-
meinsamen Urgrunde
1
.“
Damit sind in knappster Weise die grundlegenden Aspekte und
Motive der Naturphilosophie Othmar Spanns gekennzeichnet, zumeist
durch die Worte des Philosophen selbst, der ja immer sein bester
Interpret ist. Diese Naturphilosophie ist bis jetzt kaum beachtet
und noch viel weniger gewürdigt worden. Sie erschien ja knapp vor
der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und ist in den Nachkriegs-
jahren vergessen gewesen, und doch steht sie ebenbürtig neben den
großen naturphilosophischen Werken Hans Drieschs und Aloys Wenzls.
Langsam aber wird die Zeit für die Erkenntnis ihrer Bedeutung,
für ihr Weiterwirken reif.
Von grundlegender Bedeutung für die Naturphilosophie unserer
Zeit ist Spanns Einsicht in das Eigensein der Natur und der aus dieser
Einsicht sich ergebende realistische Dualismus von Geist und Natur.
Die Natur als Welt des Stofflichen ist ihm ebenso ursprünglich wie die
Welt des Geistes.
Beide Welten aber sind einander zugeordnet, die Natur dem Geist
als Mittel und Ausdruck, aber auch als schöpferischer Quell für seine
volle Entfaltung, der Geist der Natur als Sinngeber ihrer Gestalten.
Im Innewerden der elementaren Natur, im Bewußtwerden ihrer
Gründe, ihres Zusammenhanges mit seinem tiefsten Wesen erfährt
der Geist seine volle Entfaltung
2
. Die Natur „kommt nicht als Bettler
zum Geiste“
3
, der Reichtum ihrer Gestalten ist die Grundlage seines
Schöpfertums. In der Hingeordnetheit der Natur auf das Leben, des
Lebens auf den Geist erkennt Spann eine Grundtatsache des Seins
und einen Grundzug der Natur
4
.
In ihrem realistischen Dualismus, aber auch in der Fülle ihrer Einzel-
erkenntnisse und zielsetzenden Aspekte ist Spanns Naturphilosophie
für unsere Zeit bedeutsam. Auch ihr methodischer Ansatz, dem Eigen-
sein der Natur näherzukommen, „nicht allein durch Befragung der
äußeren Erfahrung, sondern zuletzt durch Befragung des menschlichen
1
Naturphilosophie, S. 259.
2
Naturphilosophie, S. 256.
3
Der Schöpfungsgang des Geistes, S. 433.
4
Naturphilosophie, S. 257f.