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versteht
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. Wie der Zweig im Baume, wie das Herz im Leibe, wie der
Gedanke im Erkenntnissystem, so ist der Mensch in Gott befaßt,
rückverbunden, mit der Besonderheit allerdings, daß hier das Rück-
verbindende, Gott, nicht von gleicher / Art mit dem Rückverbun-
denen, dem Menschen, ist (also nicht wie der Baum als Befassender
des Zweiges), sondern über dem Befaßten, über dem Rückverbun-
denen steht.
R e l i g i o n i s t B e w u ß t s e i n d e r R ü c k v e r b u n -
d e n h e i t d e s M e n s c h e n i n G o t t . Die Rückverbunden-
heit ist immer da, aber das Bewußtsein von ihr wechselt. Darum
liegt in diesem Religionsbegriff alles beschlossen, was innere Erfah-
rung und äußere Geschichte vom religiösen Leben lehren und was
alle oben angeführten Begriffsmerkmale als wesentlich dafür be-
stimmten. —Wir prüfen nun diese Merkmale nacheinander.
Da ist zuerst der G l a u b e .
Er ist uns nicht ein bloßes Fürwahrhalten, also nicht eine Art
von schwacher Erkenntnis, sondern ein Arteigenes (welches man nur
symbolhaft als „Gefühl“ bezeichnen kann — von Inhalten, einer
Glaubens l e h r e sprechen wir hier überhaupt nicht). Wo er auf-
tritt, ist er notwendig ein Ursprüngliches, nicht ein Abgeleitetes.
Weshalb aber ist er ein Ursprüngliches, Arteigenes? — weil er ein
Unmittelbares ist, der unmittelbare Ausdruck der Rückverbunden-
heit! Nenne man nun dieses Unmittelbare Andacht, Frömmigkeit,
Gottinnigkeit (wie K a r l C h r i s t i a n F r i e d r i c h K r a u s e
sagte), Ahnung oder Glaube, n i e m a l s i s t e s v o n a n d e r e n
B e w u ß t s e i n s e l e m e n t e n a b l e i t b a r . Es kommt von
sich selber her, es ist ein arteigenes, selbständiges Element im
menschlichen Bewußtsein: der Ausdruck der mystischen Seinsschicht
im Menschen, seines rückverbundenen Seins in einem Höheren, in
Gott.
Da dieses Unmittelbare aus der Rückverbundenheit folgt, ist es
notwendig ü b e r s i n n l i c h e s Bewußtsein, hat es einen Ab-
glanz der Beschaffenheit jenes Höheren in dem der Mensch rück-
verbunden ist, von Gott. Daher der Glaube ebenso anzeigt, daß
Gott in der Seele, wie daß die Seele in Gott sei. „Gott wird durch
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Die nähere Begründung in meiner Kategorienlehre (1924), 2. Aufl., Jena
1939, S. 232 f. und 404 f. [3. Aufl., Graz 1969, S. 213 f. und 365 f.].