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Wirklichkeit herab. Der indischen Mystik ist die Gottheit „Sein,

Denken und Wonne“; ganz so der hellenischen und neuplatonischen

Mystik: das τό όντως όν, das seiende Sein, ein Sein, welches nicht

erst wird, sondern schon ist, des Platon

1

, der actus purus des

Aristoteles, das τό έν (das Eine), τό πλήρωμα (die Fülle) — das

επέκεινα πάντων (das Jenseits von allem), der Neuplatoniker und

endlich der actus purus (Sein als reine Tat, lautere Wirklichkeit) der

Scholastiker des Mittelalters — alle diese Begriffe gründen in der-

selben mystischen Erfahrung und stellen das Vollkommene dem

Unvollkommenen entgegen.

Es kann nicht fehlen, besonders bei Meister Eckehart die über-

ragende Wirklichkeit, Uberwirklichkeit des göttlichen Wesens, wel-

ches der Mystiker berührt und im Vergleich dazu die Nichtig- / keit

des Geschöpfes zu finden. Nur die Seele, der Seelengrund, macht da-

von eine Ausnahme, da nur sie gottförmig ist.

„Alle crêatûre sint ein luter niht.. ,“

2

. — „Alle crêatûren sint snoede und

ein blôz niht gegen gote“

3

. — „Alle crêatûre in sich selber sint niht“

4

. — „Wan

allez daz, daz wir hie verstên, daz ist allez als ungelîch dem, daz ez in got ist,

als ob ez niht ensî“

5

. — „Allez, daz gebrestlich ist, daz ist abeval von wesen“

6

. —

„ . . . wand swaz ûzwendic wesenne ist, daz ist zuoval, und alle zuovelle die

machent warumbe“

7

. — „Kein crêatûre enwürket niht, der vater würket

alleine“

8

. — „ . . . werdent ir gewar, daz daz innerste gotes übertriffet alle

crêatûre und ir groeste innerkeit“

9

.

Überall, wo wir die vollkommene Gottheit der unvollkommenen

Welt gegenübergestellt sehen, ist der Begriff des Abfalls, wenn auch

nicht in entwickelter Form, doch mindestens latent zu finden. Die

a l t i n d i s c h e Mystik geht über das oben hervorgehobene

10

Nichtwissen, den Unvollkommenheitsgedanken noch hinaus zum

Begriff der S ü n d e. So heißt es z. B. in der Taittiriya-Samhita: „Du

(Herr der Schöpfung) bist die Sühnung der Sünde, die von den

Göttern begangen ist, du bist die Sühnung der Sünde, die von den

1

Die Nachweise hierfür in meinem Buch: Philosophenspiegel, Leipzig 1933

[2. Aufl., Graz 1970].

2

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 136, Zeile 23.

3

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 162, Zeile 39 f.

4

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 266, Zeile 15.

5

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 332, Zeile 4—6.

6

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 263, Zeile 10 f.

7

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 192, Zeile 1 f. (kausale Verknüpfung).

8

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 161, Zeile 29.

9

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S. 588, Zeile 19 f.

10

Siehe oben S. 112.