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ein S e g e n für den seelischen Weg des Buddhisten. Durch solche L i e b e u n d

M i l d t ä t i g k e i t wird dann allerdings nicht allein dem Armen wohlgetan,

sondern auch dem Asketen selbst, denn er selbst ist es, dem die Hingabe zuletzt

Frucht bringt. So sagt z. B. Buddha, als ihm berichtet wird, ein Mönch sei

durch einen Schlangenbiß getötet worden: „Sicherlich, ihr Mönche, hat dieser

Mönch die vier königlichen Geschlechter der Schlangen nicht mit gütigem Geiste

durchdrungen. Hätte dieser Mönch die vier königlichen Geschlechter der Schlan-

gen mit gütigem Geiste durchdrungen, so wäre er nicht von der Schlange ge-

bissen und getötet worden .. . Ich ordne an, ihr Mönche, daß ihr zur eigenen

Sicherheit, zum eigenen Schutze, zur eigenen Abwehr die Schlangen mit gütigem

Geiste durchdringt“

1

.

Unleugbar ist es eine fremdartige Welt, in die uns der ursprüngliche Bud-

dhismus mit seiner arteigenen Folgerichtigkeit führt und zuletzt, wie es scheint,

den S i n n d e s L e b e n s verneint — was keine andere Religion tut. Er ver-

neint auch das Ich, sofern ihm a l l e s , was an einem Wesen erkennbar ist, als

vergänglich, leidbringend erscheint

2

. Trotz alledem erkennen wir noch die

mystischen Prämissen, das unbestimmbar Übersinnliche, in dieser seiner abge-

lenkten Logik.

Sieht man genauer zu, so ist auch der besondere Grund dieser Logik erkenn-

bar: Es ist die n i c h t im B e r e i c h d e s m y s t i s c h e n E r - / l e b n i s -

s e s selbst liegende Vorstellung vom S a m s a r a , das heißt der unaufhörlich

aufeinander folgenden Wiedergeburten. In der Mystik liegt wohl das Wissen

eines unzerstörbaren Wesens in uns, nicht aber einer Wiederverkörperung der

Seele. Um diese — die aus ganz anderen Gründen erschlossen wird — zu ver-

meiden, wird die völlige Abwendung von der Welt in solch paradoxer Weise

durchgeführt, wie wir sie soeben fanden.

Die persische Mystik des Islam, der S u f i s m u s , ist reich an Zeugnissen

der Gottesliebe sowie daraus folgender M e n s c h e n - u n d G e s c h ö p f e s -

l i e b e .

Der berühmte Sûfi H u s e i n a l H a l l a d s c h (

921 n. Chr.) sagt:

„Ich bin der, den ich (liebend) begehre, und der, den ich

(liebend) begehre, ist ich;

Wir sind zwei Geister, die zusammen in einem Körper wohnen.

Wenn man mich sieht, sieht man ihn;

Wenn man ihn sieht, sieht man uns —.

Dein Geist hat sich mit meinem Geiste gemischt, wie sich

Der Wein mit klarem Wasser mischt.

Nun bist du ich in jeder Lage“

3

.

D s c h e l a l e d - d i n R u m i (1207—1273):

„Mit deiner Seele hast du meine

Gemischt wie Wasser mit dem Weine.

Wer kann den Wein vom Wasser trennen,

Wer dich und mich aus dem Vereine?

1

A n g u t t a r a N i k a y a , IV, 67, angeführt bei Georg Grimm: Die Wis-

senschaft des Buddhismus, Leipzig 1923, S. 367.

2

Wohl nicht im Urbuddhismus, wie oben S. 113 angedeutet.

3

Joseph Schacht: Der Islam, Tübingen 1931, S. 103 f.