Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7049 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7049 / 9133 Next Page
Page Background

[111/112]

127

Und mannigfache Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.

Gelobt sei, mein Herr, durch die, welche verzeihen um Deiner Liebe willen

Und Schwachheit ertragen und Trübsal.

Glückselig die, welche sie ertragen werden in Frieden,

Denn von Dir, o Herr, sollen sie gekrönt werden.

Gelobt sei, mein Herr, durch unsern Bruder, den leiblichen Tod,

Dem kein lebender Mensch entrinnen kann.

Wehe denen, die in Todsünde sterben werden,

Selig die, so sich in Deinen heiligsten Willen finden,

Denn der zweite Tod kann ihnen nichts Böses antun.

Lobet und benedeiet meinen Herrn und dankt ihm

Und dient ihm in großer Demuth!“

In Friedrich von Schillers „Lied an die Freude“ bricht die not-

wendige Einheit aller Geschöpfes-, Menschen- und Gottesliebe ge-

waltig durch:

„ . . . Seid umschlungen, Millionen,

Diesen Kuß der ganzen Welt!

Brüder — über’m Sternenzelt

Muß ein lieber Vater wohnen . . .“

Liebe des Menschen zu Gott, Liebe Gottes zu den Menschen,

Liebe des Menschen zum Menschen, Liebe des Menschen zu den

Verstorbenen, Liebe des Menschen zu allen Kreaturen, Liebe des

Menschen zur Natur — das alles sind allerdings schon begriffliche

Formulierungen, Deutungen, Folgerungen des erkennenden Geistes,

nachträgliche Gestaltungen der Frömmigkeit, nachträg- / liche Er-

hebungen zu Gott. Dennoch haben sie in jeder Form etwas von

innerer Notwendigkeit in sich. Denn sie wurzeln im Erlebnis einer

unverbrüchlichen Einheit. Sie liegen daher ihrem Grundgehalt nach

in der mystischen Erfahrung beschlossen. Aber allerdings ist nicht

zu vergessen, daß sie je nach den Begriffsmitteln und den sonstigen

Kulturinhalten, die dem Mystiker in Kunst, Wissenschaft, Gemein-

schaftsorganisation zur Verfügung stehen, doch auf verschiedene

Weise ausgebildet, in verschiedener Weise geltend gemacht werden.

Dies bedacht, verstehen wir einerseits die Verschiedenheit der

Liebeslehren in der Religionsgeschichte, andererseits die Unerläßlich-

keit des Liebesbegriffes für jede höhere Religion. Die weitgehende

innige Verwandtschaft, welche wir in diesen Punkten in der Mystik

aller Zeiten und in den von ihr mitbestimmten Religionen sehen,

ist damit erklärt.