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Hierfür noch einige Beispiele. Eine geradezu klassisch zu nennende Be-

g r ü n d u n g d e r m y s t i s c h e n M e n s c h e n l i e b e a u s d e r G o t -

t e s 1 i e b e der Mystik gibt der berühmte Lehrer V â j n a v a l k y a seiner

Gattin M a i t r e j i in der B r i h a d a r a n y a k a -Upanischad:

„Fürwahr, nicht um des Gatten willen ist der Gatte lieb, sondern um des

Selbstes willen (um Gottes Wesen willen, das im Gatten wohnt) ist der Gatte

lieb; fürwahr, nicht um der Gattin willen ist die Gattin lieb, sondern um des

Selbstes willen ist die Gattin lieb; fürwahr, nicht um der Söhne willen sind

die Söhne lieb, sondern um des Selbstes willen sind die Söhne lieb“; und ebenso

die Naturliebe: „Fürwahr, nicht um der Welträume willen sind die Welträume

lieb; sondern um des Selbstes willen sind die Welträume lieb“; derselbe Gedanke

überträgt sich sogar auf die Überwelt: „Fürwahr, nicht um der Götter willen

sind die Götter lieb, sondern um des Selbstes willen sind die Götter lieb, nicht

um der Wesen willen sind die Wesen lieb, sondern um des Selbstes Willen sind

die Wesen lieb, nicht um des Weltalls willen ist das Weltall lieb, sondern um

des Selbstes willen ist das Weltall lieb“

1

.

In derselben Upanischad wird die mystische „ H o n i g l e h r e “ als eine Liebe

aller Wesen zu allen und zu Gott entwickelt. „Diese Erde ist aller Wesen Honig,

dieser Erde sind alle Wesen Honig; aber was in in der Erde jener kraftvolle

unsterbliche Geist ist, und was in bezug auf das Selbst jener kraftvolle unsterb-

liche Geist ist, und was in bezug auf das Selbst jener aus Körper bestehende

kraftvolle unsterbliche Geist ist, dieser eben ist das, was die Seele ist; diese ist

das Unsterbliche, diese das Brahman, diese das Weltall“

2

.

In der B h a g a v a d - G i t a wird die Liebe zu Gott und von Gott, B h a k t i ,

verkündet: „Über alle Maßen teuer bin ich (der Gott) dem Erkennenden, und /

er ist mir teuer“

3

. In der gesamten indischen Bhaktireligion — welche man mit

Unrecht von den Upanischaden grundsätzlich trennt — wird die ekstatische

Gottesliebe zentral hervorgehoben und zur allgemeinen Nächstenliebe, Geschöp-

fesliebe und Naturliebe erweitert. Ja, manchen Sekten, besonders dem

K r i s h n a - R a d h a - Kultus, „war die ekstatische Gottesliebe der einzige

Heilsweg“, sagt S t e n K o m o m (Kristiania) in Chantepie de la Saussayes

„Lehrbuch der Religionsgeschichte“

4

.

Nach R a m a n u j a stellt sich die Gottesliebe und der Wunsch, sich Bhagavads

Willen zu fügen, als das Mittel dar, „ . . . das den Menschen von dem verhängnis-

vollen Karma (und damit der Wiedergeburt) befreit.“ Die Gottesliebe wird nach

Ramanuja „der Heilsweg für die Seelen, die in S a m s a r a gebunden sind“

5

.

Eine besondere Erörterung erfordert der B u d d h i s m u s . Auch er hat eine

mystische Hingabe an das Absolute zum Mittelpunkt und das so sehr wie kaum

eine andere Religion. Aber dennoch hat es mit der aus dieser Hingabe ent-

springenden Menschen- und Geschöpfesliebe seine eigene Bewandtnis. Wir meinen

die Frage nach dem Begriff des buddhistischen Absoluten, des N i r r â n a (das

1

Vgl. Brihadaranyaka-Upanishad, 2, 4, 5a, deutsch von Paul Deussen.

2

Vgl. Brihadaranyaka-Upanishad, 2, 5, 1 ff., deutsch von Paul Deussen.

3

Bhagavadgîtâ, VII, 17, aus dem Sanskrit übersetzt von Richard Garbe,

Leipzig 1905.

4

Lehrbuch der Religionsgeschichte, begründet von Chantepie de la Saussaye,

herausgegeben von Alfred Bertholet und Eduard Lehmann, Bd 2, 4. Aufl., Tübin-

gen 1925, S. 169.

5

Lehrbuch der Religionsgeschichte, S. 158 f., vgl. auch S. 161—166 und öfter.