I.
Die Erhellung der Mythologie aus Mystik und Magie nach
kategorialer und ganzheitlicher Analysis
Werden die mythologischen Religionen aus den mystischen Kate-
gorien, werden sie ferner nach den ganzheitlichen Kategorien des
Stufenbaues und der vielfachen Gliedhaftigkeit, weiterhin aus ihren
magischen Grundlagen, endlich nach der aus Mystik und Magie fol-
genden Exoterik und Esoterik ihrer Formen samt den hieraus flie-
ßenden Entartungen und willkürlichen Zutaten analysiert— dann,
so zeigte sich, b i e t e n s i e n i c h t m e h r j e n e s h o f f -
n u n g s l o s e C h a o s d a r , welches sonst in der unübersehba-
ren Vielfalt von Göttern und Dämonen mit ihren fast unentwirr-
bar ineinander übergehenden Ämtern und den unzähligen, sich an
sie knüpfenden heiligen Sagen, Lehren, Kulten und Gebräuchen aller
Art liegt.
Dem bisher geltenden historischen und philologisch-analytischen
Verfahren ist diese widerspruchsvolle Vielfalt schlechthin unauflös-
bar. Erkennt man aber Mystik und Magie als die innersten Quellen
der Religion, dann ist sie nicht mehr undurchdringlich, nicht mehr
ohne Ordnung. Das Bild der gesamten Götterwelt, ihrer Sagen und
Kulte vereinfacht sich gewaltig, ihre Grundwahrheiten und Irrtü-
mer, ihre Normen und Entartungen werden mehr und mehr sicht-
bar.
Nimmt man dazu die von uns geübte ganzheitliche Betrachtung
mit ihren Schlüsselbegriffen des Stufenbaues und der vielfachen
Gliedhaftigkeit, so zeigt sich deutlich, wie das naturalistische Ver-
fahren der bisherigen Philologie überwunden werden könne. Sie
widerlegt, wie erkannt, insbesondere den gefährlichen evolutionisti-
schen Irrtum, die mythologischen Glaubenskreise seien aus / Natur-
ursachen entstanden und dann aus einzelnen Orts- und Gaukulten
zusammengeleimt worden, statt diese letzteren umgekehrt als Be-
sonderungen jeweils schon vorgegebener, höherer Einheiten zu be-
17 Spann, Religionsphilosophie