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Was wir heute und was wir aus Urkunden der Vorzeit in Reli-

gion und Kultur sehen, ist ohne das unbedingte Vorherrschen des

Mystischen und Magischen gar nicht zu verstehen — welches letz-

tere freilich ernst genommen werden muß und nicht durchaus als

Aberwitz betrachtet werden darf, das aber auch nicht ohne die

mystische Komponente, welche führende Geister diesen Kulturen

stets hinzufügten, zu denken ist.

/

V.

Gründung und Entfaltung gegen Evolutionismus. Aufschwung

und Wiederherstellung gegen Verfall

Dem herkömmlichen Bild des Evolutionismus stellten wir das

Bild bestimmter Geisteszustände der Menschheit gegenüber. Nicht

ein Aufstieg aus der Tierwelt, sondern ein Wechsel der mensch-

lichen Geisteshaltungen, deren Entfaltung, Verfall und Gegenent-

faltung, kennzeichnet uns die Geschichte der Religiosität von der

Urreligion bis heute. Die einzelnen Geisteshaltungen, welche in

Mystik, Magie, Rationalismus und schließlich Sensualismus gegeben

sind, bestimmen die jeweiligen Grundzüge der Religiosität der Men-

schen, und zwar teils in der angeführten Abfolge, teils in anderen

Abfolgen, wie sie durch wechselnden Aufschwung, Verfall, Wieder-

herstellung oder Rückschläge verschiedener Art herbeigeführt wer-

den.

Dieses unser Geschichtsbild geht statt von der empiristischen

Kategorie der Entwicklung, welche von u n t e n h i n a u f führen

soll, von der ganzheitlichen Kategorie aus, der Kategorie Gründung

und Entfaltung

1

. N i c h t E v o l u t i o n i s m u s , s o n d e r n

G r ü n d u n g u n d E n t f a l t u n g , reales Leben der Ganzhei-

ten ist unser Schlüsselbegriff. Indem sich das seinem Wesen nach

Gegründete entfaltet, geht es nicht von unten hinauf, sondern von

der M i t t e i n d e n U m k r e i s . Das im Zentrum des eigenen

Wesens Angelegte wird in der Peripherie voll entfaltet. Und wird

die Entfaltung des reinen Wesens gestört, dann ergeben sich sowohl

Aufwärtsentwicklungen aus dem durch die Störungen erfolgten

1

Näheres darüber in meiner Geschichtsphilosophie, Jena 1932, S. 148 ff. und

in meinem Buche: Kämpfende Wissenschaft, Jena 1934, S. 179 ff. [2. Aufl., Graz

1969, S. 253 ff.].