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So haben zwar der Historismus und die empiristische Religions-

soziologie einen gewaltigen Stoff gesammelt und zugänglich gemacht,

aber je größer diese Fülle des Materials, desto schwerer ist sie zu

ordnen und desto mehr versinkt die Religionssoziologie in einen

verhängnisvollen Relativismus, dem überhaupt nichts mehr wert-

voll und wahr bleibt. Teilweise ist dieser Relativismus auch eine

Gegenbewegung gegen den grandiosen Versuch Schellings in seiner

„Philosophie der Mythologie und Offenbarung“, die gesamte Reli-

gionsgeschichte auf ein innergöttliches Geschehen zu begründen, und

ein Gegenschlag gegen die „Religionsphilosophie“ Hegels, der aus

den dialektischen Setzungsschritten des Weltgeistes die Entwicklung

der Weltreligionen ableitend entwerfen wollte.

Es hegt nahe, daß der durch die empiristische Religionssoziologie

und den Historismus hindurchgegangene Forscher von heute mit

diesen Versuchen Schellings und Hegels nichts anzufangen weiß; daß

er sie als Konstruktionen verwirft; daß er sie angesichts der Fülle

des heute vorliegenden Erfahrungsstoffes für unzeitgemäß hält. Um

so stärker bleibt die Forderung nach einer Ordnung und Durch-

leuchtung dieses Materials; um so dringender bleibt die gegenüber

aller Religionssoziologie und Religionsgeschichte von heute sich er-

hebende Frage nach dem Wahrheitsgehalte der Religionen, die alle

so unendlich Verschiedenes lehren und verehren; bleibt die religions-

philosophische Forderung nach der Überwindung des Relativismus

von heute. In dieser geistesgeschichtlichen Lage tut eine neue Zu-

sammenfassung not, die die verwirrende Fülle ordnen hilft, ohne

ihr Gewalt anzutun; die die geschichtlichen Religionen in ihrem We-

sensgehalt zu würdigen vermag; die sie zwar weder ihrem Inhalte,

noch ihrer Abfolge nach ableitend zu entwerfen versucht wie Schel-

ling und Hegel; die aber das Begriffswerkzeug ausbildet, diese ge-

schichtlichen Religionen analytisch zu verstehen.

Einen solchen Versuch, eine religiöse Kategorienlehre, das heißt

also eine Lehre von den Urbegriffen alles Religiösen überhaupt zu

geben, unternimmt Othmar Spann in seinem vorstehenden Werke

„Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage“. Diese „Ur-

weisen oder Kategorien, welche allen Religionen gemeinsam sind, ...

das, was man die Religiosität in allen Religionen nennen muß“, sol-

len aber so beschaffen sein, daß man von ihnen aus „die schier uner-