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287

B.

Lehrrichtungen in Weiterführung des Sozialismus

1.

Der A g r a r s o z i a l i s m u s

1

Neben physiokratischem, Ricardoschem, kreditpolitischem und

rententheoretischem Lehrgut steht im Vordergrund des Agrarsozialismus die

sozialistische Lehre vom Gemeineigentum an Grund und Boden, der eines der

wichtigsten Produktionsmittel darstelle.

Die alten, ähnlich ausgerichteten Strömungen erhielten neuen Auftrieb

durch den Rätesozialismus, der die Agrarrevolution des Ostens vollendete —

allerdings nicht zu Gunsten der Kleinbauern, sondern mit deren Beseitigung

—, und durch das vielseitige wissenschaftliche Werk Franz Oppenheimers

2

,

dessen sozialwissenschaftliches Lehrgebäude dem Agrarsozialismus, dem

liberalen Neosozialismus und teilweise auch der sozialen Marktwirtschaft Pate

stand. Oppenheimer erwartet von der Beseitigung der Bodensperre und der

Verstaatlichung des Bodens die Aufhebung aller Machtverzerrungen der

menschlichen Gesellschaft (des „politischen Mittels“) und die Heraufführung

der Freibürgerschaft (des „friedlichen Mittels“).

2.

Der N e o s o z i a l i s m u s

Im englischen und im deutschsprachigen Bereiche entstanden

neosozialistische Strömungen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie

Wettbewerb und Planwirtschaft, Liberalismus und Sozialismus miteinander zu

verbinden suchen. Als Vertreter dieser Richtungen eines sogenannten

freiheitlichen,

demokratischen,

marktwirtschaftlichen

oder

Konkurrenz-Sozialismus seien genannt: Oskar Lange, Fred M. Taylor, Henry

Douglas Dickinson, James Edward Meade, Gerhard Weisser, Karl Schiller und

Gisbert Rittig.

3.

Die W o h l f a h r t s ö k o n o m i e

Vom Standpunkt der Grenznutzenlehre scheint es besonders naheliegend,

den oft gehegten Gedanken weiter zu verfolgen, daß ein höherer

Volkswohlstand nicht nur durch Steigerung des Nationalproduktes, sondern

auch durch dessen bessere Verteilung erreicht werden könnte. Dies vertritt die

Volkswohlstands- oder Wohlfahrtsökonomie (Welfare Economics). So erfahre

nach Arthur Cecil Pigou der gesellschaftliche Nutzen durch Übertragung von

Geldeinkommen der wohlhabenden Schichten auf weniger wohlhabende eine

Erhöhung. Gleiche Einkommensverteilung, also gleicher Grenznutzen für

jedes Individuum, bedeutet demnach — den bestmöglichen Einsatz der

Produktionsfaktoren vorausgesetzt — Maximierung des gesellschaftlichen

Grenznutzens.

1

Vgl. auch oben S. 184 f.; ferner Walter Heinrich: Wirtschaftspolitik, Bd

I, 2. Aufl., Berlin 1964, S. 25 ff. und 29 ff.

2

Franz Oppenheimer: System der Soziologie, 4 Bde, Jena

1922—1935, 2. Aufl., Stuttgart 1964.