284
(2)
Hinwendung zur rein ökonomischen Technik (mathematische
Richtungen — Modelltheorie — Ökonometrie).
Viele Verfasser, an ihrer Spitze mit sehr klugen Begründungen Edgar
Salin, gliedern in „anschauliche“ und „rationale“ Theorie: „Wir nennen jene
Theorie, die sich mit Teilerkenntnis begnügt, rationale Theorie, — jene, der es
um Gesamterkenntnis, um Wesenserkenntnis zu tun ist, anschauliche
Theorie... Von hier aus ist leicht zu sehen, daß der Theorientyp Ricardo —
Jevons — Pareto, der die Größenbeziehungen und -Veränderungen im Modell
der statischen Tauschwirtschaft untersucht, seiner eigenen Intention nach
Teilerkenntnis erstrebt und bietet, während der Typ List — Marx — Sombart
auf Gesamterkenntnis der Wirtschaft hinzielt.“
1
Die Spannsche verfahrensmäßige Entgegensetzung
2
„Universalismus —
Individualismus“, deren „gewaltige Bedeutung seit dem Kampf Platons gegen
die Sophistik bis hin zum Kampf der deutschen Romantik gegen die
französische Aufklärung und zum inner- wissenschaftlichen Kampf der
deutschen Wirtschaftslehre sich in aller Geschichte erwiesen hat“ und die in
ihrer „ganzen Tiefe die beiden Grundtypen der Weltanschauung, ja des
Lebens“ erfaßt, die wir kennen, will Salin innerhalb der Wirtschaftslehre nicht
verwenden. Die Wirtschaftslehre wäre „ein solches Außengebiet des
menschlichen Lebens, von der philosophischen oder politischen Mitte so weit
entfernt, daß hier der Gegensatz der Anschauung sich zum bloßen Gegensatz
des Verfahrens (Methode) verflacht und sich infolgedessen entgegen aller
logischen Erwartung Mischformen zeigen, die die Entscheidung schwierig
machen, zu welcher Gattung eine bestimmte Theorie nun eigentlich gehört“
3
.
Alle diese Versuche sind keine Erstunterscheidungen, vielmehr schon
gefolgerte, und befriedigen nur zum Teil. Es sei hier daher die ursprüngliche
Unterscheidung
Spanns
zwischen
individualistischen
und
nichtindividualistischen, also universalistischen Strömungen auch für die
modernen Richtungen der Nationalökonomie beibehalten. Dieser
Einteilungsgesichtspunkt schließt alle anderen Versuche einer Zuordnung ein
und verbürgt gegenüber den anderen die nach wie vor beste Möglichkeit einer
Sichtung der verschiedenen
1
Edgar Salin: Politische Ökonomie, 5. Aufl., Tübingen und Zürich 1967, S.
181.
2
Vgl. oben S. 37 ff. -und S. 220 ff.
3
Edgar Salin: Politische Ökonomie, 5. Aufl., Tübingen und Zürich 1967, S.
176. Es ist allerdings fesselnd, daß Salin der fünften Auflage seiner „Geschichte
der Volkswirtschaftslehre“ nun den Titel „Politische Ökonomie“ gegeben hat,
eine Namensänderung, die uns eine Annäherung der Wirtschaftslehre an die
„politische Mitte“, also an eine soziologischganzheitliche Sicht, zu sein
scheint.