Z e h n t e r A b s c h n i t t
Gesamtübersicht der Lehrbegriffe
Das Endergebnis der Eckehartischen Philosophie ziehen wir am
besten, indem wir von dem nunmehr überblickten Lehrgebäude
als einer Ganzheit ausgehen. Als solche stellt sich uns dar: die Lehre
von Gott und seiner Schöpfung, der Seele sowohl wie der Natur. In
Gott selbst unterscheidet Eckehart aber dreierlei: die Gottheit;
Gott in seinem inneren (trinitarischen) Leben, das heißt Gott als der
Inbegriff von drei Personen; endlich Gott als Schöpfer der Welt.
Der Gottheit (deitas) als der absoluten Einheit entspricht in der
S e e l e das Fünklein; im Menschen der „innerste Mensch“; im
inneren Leben der Seele die Gottesgeburt und lautere Abgeschie-
denheit; in den Stufen der Lebensführung das vollkommene Leben
oder die Heiligkeit.
Dem Gotte (deus) als dem Inbegriffe der drei Personen entspre-
chen: hinsichtlich der Schöpfung die urbildliche Welt oder Ideen-
welt; im Menschen der „innere Mensch“; in der Seele die höheren
Seelenkräfte (Vernunff, Wille, Gedächtnis); in der Lebens- und
Wirkordnung des Menschen die reine Ordnung der Seelenkräfte,
welche in der Gegenseitigkeit von schauendem und handelndem
Leben besteht (Fruchtbarmachung der Schauung im Handeln, wo-
durch die Seele Gotte näher kommt); in den Stufen der Lebensfüh-
rung endlich das sittliche Handeln „ohne warum", das ist ein Leben
nach der Vernunft.
Dem Gotte als Schöpfer entspricht die zeitliche Schöpfung als
Inbegriff der außergöttlichen Welt der Kreaturen; im Menschen der
„äußere Mensch“; in der Seele die niederen Seelenkräfte (Sinnlich-
keit, äußeres Handeln, äußeres Werk); in der Lebensführung end-
lich vornehmlich das äußere Handeln nach dem Gesetze.