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d e s e w i g e n L e b e n s , wodurch auch auf die W i e d e r -

b r i n g u n g unter einem ein neues Licht fällt:

„Ich sage, daz in dem rîche der himel al in al ist und al ein und al unser. . . .

swaz dâ einer hât, daz hat der ander, unde niht als von dem andern..., mêr:

als in ime selben,..

Von dem hohen Sinne des Lebens, den Eckehart aus der Lehre

begründet, der Durchbruch zu Gott sei viel edler als der Ausfluß,

lenken wir nun wieder in die Sittenlehre zurück, bei der wir noch

einen Augenblick verweilen, weil der Begriff, welcher hier begegnet,

dem heutigen Denken so fremdartig ist: die W ü r d e d e s M e n -

s c h e n . Sie trat auch schon in der Naturphilosophie im Vergleiche

des Menschen mit der Natur hervor. Alle Naturdinge und Ge-

schöpfe sind nur „Fußstapfen“, der Mensch allein ist „Ebenbild“

Gottes. Die Vernunft ist es vor allem, welche diese Ebenbildlichkeit

spiegelt. Gott ist dem Stein ebenso nahe wie dem Menschen, aber

„der Stein enweiz ez niht“. Nur der Mensch hat Bewußtsein, Ver-

nunft, Erkenntnis, und eben darin kommt er Gotte nahe.

Dieser keiner Mystik fremde Standpunkt führt folgerichtig zu

einer alle Natur hoch übersteigenden Wertschätzung des Menschen.

Eckehart sagt darum geradewegs:

„daß die Rechtfertigung eines einzigen Menschen ein größeres Gut ist“

2

als

das Gut der gesamten Natur,

wobei er sich selbst auf Thomas

3

beruft. Dazu führt Eckehart mit

unendlicher Kühnheit den Gedanken durch: der Mensch sei — so

dürfen wir es ausdrücken — der F ü h r e r d e s A l l s und endet

zuletzt nochmals bei der dunkel angedeuteten W i e d e r b r i n -

g u n g .

In der 56. Predigt spricht er einen auch sonst gestreiften Gedan-

ken am entschiedensten aus:

„Alle crêatûren tragent sich in mîne

Vernunft,

daz si in mir vernünftic sint.

Ich a l l e i n e b e r e i t e a l l e c r ê a t û r e n w i d e r z u o g o t e.“

4

1

Pf. 39, 35: Ich sage, daß in dem Reiche der Himmel alles in allem ist und

alles eins und alles unser ... Was da einer hat, das hat der andere, und er be-

hält es nicht als vom anderen genommen, sondern als Eigenes.

2

B 93.

3

Summa theologica I II q. 113 a. 9.

4

Pf. 180, 23: Alle Kreaturen tragen sich in meine Vernunft (in meinen erken-

nenden Geist), damit sie in mir vernünftig (recht erkannt) sind. Ich a l l e i n e

b e r e i t e a l l e K r e a t u r e n w i e d e r a u f G o t t v o r .