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mystische Gotteserfahrung. Sie bedient sich großenteils überlieferter
Begriffe. „Urbegriff“ ist die Gottesgeburt im Fünklein der Seele,
„abgeleitete Begriffe“ sind Gott, das Sein, die Seele, die Schöpfung,
die Natur (Kosmologie), der edle Mensch (Ethik). Alles ist im Cor-
pus gemäß diesem Schema entwickelt. Anregend für heutige Men-
schen sind die religionsphilosophischen Ausblicke auf das klassische
Altertum, den deutschen Idealismus, die ostasiatischen Religionen —
teils im Sinne von Analogien, teils von Gegensätzlichem. Die reli-
gionswissenschaftlich orientierten Theologen geben sich Rechenschaft
darüber, daß es die „Menschheit Gottes“ gibt mit einer „Gleichheit
des Erlebnisgehaltes in seinen geheimen Tiefen“, so daß „alle großen
metaphysischen Philosophien grundsätzlich als Versuche zu ver-
stehen sind, die ihnen zugrundeliegenden mystischen Erlebnisse be-
grifflich zu deuten“
1
. Dabei sucht es Spann nach Möglichkeit zu ver-
meiden, das Theologische vorwegzunehmen
2
.
Rückblickend auf seine Arbeit ist Spann sich selbst dessen bewußt,
daß die hohen Gedanken des Meisters „in der heutigen glaubens-
losen metaphysikfernen Zeit“ sehr vielen „fremd“ Vorkommen
werden. „Eine wunderliche Rede“, hieß es bei manchen schon da-
mals. Und der Meister antwortete: „Dennoch, merket etwas davon!“
1
Man vergleiche hierzu die Beiträge in der Festschrift für Karl Rahner: Gott
in Welt, 1964, S. 287—426.
2
Auf Grund der deutschen Predigten Eckeharts bietet Raphael Öchslin eine
Theologie des Einen und Dreifaltigen; eine Christologie steht noch aus; für
Exegese im heutigen Sinn wäre Eckehart unergiebig.