274
schung mit Geschöpflichen! und Menschlichem sichern will“. Damit
hängt das schwierige Problem des „geschaffen-ungeschaffen“ in der
Seele zusammen
1
.
Das Charakteristische aber für Spann wie für die meisten Ecke-
hartforscher ist die mystische Deutung. Alles quillt bei Eckehart aus
der mystischen Einheitserfahrung von Gott und Seele. Er nennt es
die Gottesgeburt im Seelengrunde oder im „Seelenfünklein“. Was
diesen symbolischen Ausdruck betrifft, hält ihn Spann für original,
und das ist insofern richtig, als dem Seelenfünklein bei Eckehart
eine tiefere Bedeutung und eine geradezu zentrale Rolle zukommt
im Vergleich zu den Früheren, nämlich ein Teilhaben an der
Schöpferkraft Gottes; daher die Bedeutung als Urbegriff bei Ecke-
hart im Verhältnis zu allen anderen „abgeleiteten“ Begriffen.
Von der Gottesgeburt in der Seele, dem eigentlichen Mysterium des Seelen-
fünkleins, hat Hugo Rahner in seiner Studie „Die Gottesgeburt“ gezeigt, daß
die Eckehart’sche Terminologie auf eine lange Vorbereitung von der christ-
lichen Frühzeit her, besonders von Origenes, Gregor von Nyssa, Maximus (im
Westen auch Ambrosius, Augustinus, Gregor dem Großen über Johannes Scotus
Eriugena, Bernhard und die Victoriner zurückgeht. Für Eckehart wichtig ge-
worden sind besonders Origenes-Stellen. In seiner Verteidigung des von der In-
quisition zensurierten 14. Satzes beruft er sich auf die doctrina Origenis in
Omelia super 26 — es müßte heißen: zu Ps 36 —, mit dem Text: „Der same
gottes ist in uns. Hetti er einen guoten anwiser und flissicen wercman, so neme
er des bas zuo und wüchse uf zuo gotte, des same er ouch ist.“ Bei Origenes
heißt die Stelle: „Und was anderes soll man billigerweise als ,Same des Gerech-
ten' denken denn den Jünger des G e r e c h t e n , der durch den empfangenen
Samen zum ewigen Leben gezeugt wird? Dann dringt das Wort Gottes in eure
Seelen, und in euren Herzen haftend, will es euren Geist nach der Gestalt seines
W o r t e s formen . . . , und so wird Christus selbst in euch geformt, so daß ihr
wahrhaft der Same des G e r e c h t e n werdet.“ — Außerdem zitiert Eckehart
im Johannes-Kommentar wie im Kommentar zu Ecclesiasticus und zum Weis-
heitsbuch aus der 9. Jeremias-Homilie des Origenes nach Art eines „Lieblings-
wortes“ das Folgende: „Selig, wer immer aus Gott geboren wird. Nicht nur
einmal, so möchte ich sagen, wird der Gerechte aus Gott geboren, sondern in
jedem guten Tun wird er geboren .. ., wenn immer du den Geist der Sohnschaft
1
Die Lösung wird von B. Dietsche in der Festschrift zum Eckhartjahr, heraus-
gegeben von Udo Nix und Raphael Öchslin, 1960, S. 248, so zusammengefaßt:
„Das Seelenfünklein, als Anlage geschaffen, seine Inhalte oder Erkenntnisse hin-
gegen ungeschaffen, ist bei Spann des längeren ausgeführt und an dem Eckehart’-
schen Gleichnis vom Sonnenlicht, das sich im Wasser spiegelt, veranschaulicht.
Also ist Gott in der Seele mit seiner Natur, mit seinem Sein, mit seiner Gott-
heit, und Er ist doch nicht die Seele.“