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hungsfest wäre daher jedes Drama im metaphysisdien Sinne als
„frohlockend-schön“ zu bezeichnen. Die innere Verwandtschaft des
Tragisch-Schönen mit dem Frohlockend-Schönen erkannt zu haben,
bedeutet eine der großartigsten Einsichten in das Wesen der Kunst.
Die Heraushebung des Frohlockend-Schönen erschließt in beson-
derer Weise den metaphysischen Sinn aller großen Kunst. Die
innere Verwandtschaft mit dem Tragisch-Schönen vollendet ihn
und befreit das Schauspiel von allem Psychologismus des sogenann-
ten „Charakterdramas“. Die Rückverbundenheit fordert, daß über
aller Charakterentwicklung eine höhere Macht steht, sei es — wie
im griechischen Schauspiel — das unerbittliche Schicksal oder der
Deus ex machina. Es geht um die Erlösung: hüben oder drüben!
„F i d e 1 i o“ hätte genauso mit Florestans mystischer Verzückung
in der Kerkerszene tragisch enden können, wie umgekehrt Mozart
aus innerer Nötigung seinem Don J u a n einen zweiten froh-
lockend-schönen Schluß angefügt hat, durch welchen der bereits
errungene magische Sieg der Musik über das Böse in himmlische
Heiterkeit verklärt wird. Eine wohl einmalige Synthese des Tra-
gisch-Schönen und des Frohlockend-Schönen aber erleben wir in
Hölderlins E m p e d o k l e s . Nicht vom Schicksal getrieben, nicht
aus Verzweiflung, sondern auf der Höhe seines ruhmvollen Lebens
nimmt der mit Gott versöhnte große Mystiker und Magier für sich
die volle sittliche Freiheit in Anspruch, sich als ein innerlich Erlö-
ster und Befreiter für immer mit dem Göttlichen zu vermählen, als
„der furchtbare Wanderer, dem allein beschieden ist, den Pfad zu
gehen mit Ruhm, den ohne Fluch betritt kein anderer“.
Spann selbst aber hat immer wieder als das großartigste Drama,
in welchem das äußerlich Tragisch-Schöne von einem himmlischen
Glanze des Frohlockend-Schönen umstrahlt ist, Schillers Meister-
werk, die J u n g f r a u v o n O r l é a n s , gepriesen. Er hat zu-
tiefst erlebt, was die höchste Kunst uns erleben läßt, daß ihr Inner-
stes, Heiligstes vom Menschen nur gefühlt werden kann, wenn mit
diesem Heiligen zugleich das Heroische erfaßt wird. Wer sich ihm
nicht zu öffnen vermag, dem bleibt das Wesen der großen Kunst
verschlossen wie alles Große in der Welt. Das Heroische war der
tiefste Kern von Spanns eigenem Leben. Es ist der eigentliche
Schlüssel zum Verständnis seines Lebens wie seiner Werke und auch
seiner Kunstphilosophie.