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sehr mißgestaltet sein kann, nämlich unvollkommen in der Darstel-

lung: als Unvollkommenheitsweise. Beim Unholdisch-Schönen oder

Inhaltlich-Häßlichen aber handelt es sich ja um eine Vollkommen-

heitserscheinung in der Darstellung); auch nicht in vollem Maße,

dafür aber in einer für die Kunst besonders charakteristischen Weise

in der M u s i k , der Kunst aller Kunst.

Vergegenwärtigen wir uns, was Spann in seiner Abhandlung über

„Mozarts Größe“ darüber sagt: „Im Don Juan läßt uns Mozart in

die Finsternis der schwarzen Magie blicken. Wir nennen vor allem

die Fluchmusik, die zweimal auftritt. Da ist zuerst der, zum Glück

meist unverstanden gebliebene, Fluch der Donna Anna, bald nach

Beginn des Schauspiels (Auf schwöre edle Rache!), der mit der

Macht des Zaubers erklingt. Jeder G r a s h a l m v e r w e l k t

b e i d i e s e m F l u c h e . Nun weiß man von allem Anfange an:

Wem dieser Fluch galt, der ist verloren. Dann folgt der zweite

Fluch (Du kennst den Verräter ... zur Rache, zur Rache!). Er trifft

nochmals ins Herz. Mozart übt damit einen Zauber aus, wahren

Zauber (nicht bildlich gesprochen)

1

.“ Um was es dabei letztlich

geht, wird noch deutlicher, wenn solche musikalische Magie nicht

gegen den Bösewicht gebraucht, sondern von diesem selbst ange-

wendet wird, wie in der Rachearie des Pizarro oder im Credo des

Jago: Inhaltlich ist es die Sprache des Bösen, aber die musikalisch

vollkommene Gestaltung vermag zugleich in ihrer vollkommenen

Rückverbundenheit dieses Böse zu überwinden und zu besiegen,

so daß sich der Fluch des Bösen zu einem Bannfluch gegen das

Böse verwandelt und erhebt. Aus dieser musikalischen Bewältigung

des Unholdischen klingt nicht nur der magische Sieg des Guten

heraus, sondern zugleich auch ein Zauber von außerordentlicher,

bannender Schönheit. Das eben ist die große Macht der Musik und

der Kunst überhaupt.

Dasselbe gilt daher grundsätzlich auch für die Dichtkunst und für

alle Kunst. Ist sie mehr als nur eine Verschönerung des Lebens, soll

sie selbst eine innere Lebensmacht sein, dann kann sie dem Kampfe

des Guten gegen das Böse nicht ausweichen, muß daher auch dieses

darstellen! Sie stellt es dar als ein zu Überwindendes. — Was das

e r s t e wäre.

1

Kämpfende Wissenschaft, 2. Aufl., Graz 1969, S. 342 [= Othmar Spann, Ge-

samtausgabe, Bd 7].