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und die Teile sind gleichzeitig, wie von Wiese will (dies ist vielmehr

unmöglich, da das Ganze als solches, das Ganze selbst nicht konkret

erscheint, da es nicht selbst ein Teil, nicht selbst konkret wird!);

sondern nur die Teile sind gleichzeitig. Warum? — infolge ihrer Mit-

ausgegliedertheit ! E b e n d i e s e e m p i r i s c h e G l e i c h z e i -

t i g k e i t d e r T e i l e g i l t e s i h r e r i n n e r e n

N o t w e n -

d i g k e i t u n d i n n e r e n S t r u k t u r n a c h e r s t z u

e r k l ä r e n ! D a s l e i s t e t n u r d e r B e g r i f f d e r G e -

z w e i u n g , n i c h t j e n e r d e r B e z i e h u n g . Dies über-

sieht von Wiese bei seinem Satze: „Das Ganze und die Teile sind

gleichzeitig“. (Der aber empirisch, wie gesagt, in dem Sinne nicht

gilt, daß das Ganze n e b e n den Teilen nie zu finden ist.) Indem

die Frage lautet: Was ist in dieser empirischen Gleichzeitigkeit das

Primäre, das Begründende?, kann die Antwort nur eine einzige sein:

Wenn man überhaupt anerkennt, daß alle Teile „gegenseitig“, also

nicht autarke Wesenheiten sind, die ja auch ohne die anderen sein

könnten und nicht gleichzeitig sein müßten; dann haben sie die Na-

tur, Glied eines „Ganzen“ zu sein. Damit ist aber endlich gegeben:

Das Ganze begründet die Teile, es ist also begrifflich vor dem Teile.

Platon und Aristoteles wußten genau, was sie sagten, als sie diesen

Gedanken aussprachen.

Wird das zugestanden, und es muß mit unentrinnbarer Notwendig-

keit geschehen, dann sind auch schon die Begriffe „Ganzheit“, „Glied-

haftigkeit“, „Gezweiung“ zugestanden; und dann ist auch meine Ver-

fahrenlehre grundsätzlich zugestanden. Man darf den Geist eben

nicht vom äußeren Sinnenleben her verstehen, man muß ihn von

seiner reinsten Eigenschaft her verstehen, vom Gedanken, der die

Mitte des Lebens ist. Dann wird es klar: der menschliche Geist darf

nicht wie ein räumlich abgegrenztes Sein, gleich einem Kieselsteine,

verstanden werden! Die Empiristen wollen nur gelten lassen, was

sie mit Augen sehen und behaupten daher, der Staat bestünde aus

einzelnen Menschen, die Wirtschaft aus einzelnen Marktbesuchern

usf. Sie nehmen das Netzhautbild für das Wesen und bedenken nicht,

daß alle jene „Einzelnen“ nicht als solche, nämlich nicht ver-einzelt,

sondern als Exponenten der Lebensäußerungen geistiger Ganzheiten

auf den Plan treten — als G l i e d e r ! Gleichwie der Mensch sich im

Selbstbewußtsein in sich selbst durchdringt, so muß er sich auch mit