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Eine weitere Frage dagegen, die Hans Kelsen aufwirft
1
, ob die Gesolltheit eines
Zweckes auch die Gesolltheit eines Mittels verlange, ist so zu beantworten: Das Wesen
der Gesolltheit ist einerseits: von aller Wirkung, allem ursächlichen Sein unabhängig zu
gelten; aber andererseits liegt in ihr gleichwohl die For- / derung, daß alle Wirklichkeit
jenen Wertcharakter, den die Gesolltheit in sich schließt, erlange; kurz gesagt: in der
Gesolltheit liegt die Forderung, verwirklicht zu werden. Dies kann auch Kelsen nicht
leugnen. Damit erhalten aber die verwirklichenden Vorstufen des Gesollten die Geltung
als „Vorzwecke“. — Bei diesen Fragen ist stets festzuhalten, daß W e r t ,
G ü l t i g k e i t , G e s o l l t h e i t , Z w e c k , R i c h t m a ß , N o r m ,
S o l l s a t z i m l e t z t e n W e s e n g l e i c h b e d e u t e n d s i n d , und
zwar in folgendem Sinne: Werte sind gültig, daher Gültigkeiten; das Gültige regelt das
Handeln und ist insofern: Gesolltes, Richtmaß, Norm, Sollsatz; als zu verwirklichend
endlich ist der Wert Ziel oder Zweck.
Die einzige Möglichkeit, den Begriff des Mittels auf Ursächlichkeit zu beschränken,
bestünde darin, überhaupt zu leugnen, daß sichWerte in eine Rangordnung (Hierarchie)
gliedern. Dann gibt es kein Höher und Niedriger unter ihnen, also auch keinen
„Vorzweck“, lediglich Werte schlechthin und deren schlechthin ursächliche
Verwirklichung; diese hätte dann keinen Wertcharakter (als Vorzweck). Dieser
Einwand wäre absurd und führt zu einem chaotischen Pluralismus. Ihm wäre alles
Wertvolle ein gleich ursprünglicher und gleich gültiger, gleich hoher Urwert. Dann
wäre aber ein einheitliches, die Normen zueinander in Beziehung bringendes,
insbesondere sittliches Denken und Handeln imWertsinne (durchaus unmöglich. Dieses
verlangt notwendig einen höchsten Wert, eine „oberste Norm“, ein „höchstes Gut“, an
dem alle Werte zu richten sind.
Nicht zuletzt beweist der alte Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“ die Richtigkeit
unserer:Auffassung vom Wesen des Mittels. Zwar ist er in dieser schroffen Form gewiß
nicht richtig. Es darf nur heißen: „ D e r Z w e c k h e i l i g t i m R a h m e n
d e s
G e l t u n g s z u s a m m e n h a n g e s
a l l e r
Z w e c k e
d a s
M i t t e l . “ Jedoch beweist er methodisch genug, nämlich den Charakter des Mittels
als Vorzweck. Im „ H e i l i g e n “ d e s M i t t e l s l i e g t s e i n e
A u f n a h m e
i n
d i e
R a n g o r d n u n g
d e r
W e r t e
u n u m s t ö ß l i c h b e s c h l o s s e n .
§ 2. Strenge Trennung von Mittel und Ziel
Das Wichtigste, was unsere erste, bisherige Bestimmung des
Begriffes der Wirtschaft „Mittel für Ziele“ sagt, ist:
1.
daß Wirtschaft selbst kein Ziel sei und in keiner Weise werden
könne, sondern nur Mittel; daß daher der Genuß, der eigentliche
Verbrauch, sofern er als Empfindung gefaßt wird, von der Wirtschaft
streng zu trennen sei;
1
Hans Kelsen: Die Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, entwickelt aus der Lehre
vom Rechtssatze, Tübingen 1911, S. 57 ff.