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befriedigen. Von zehn Gläsern Wasser z.B. kann das erste das Leben

retten, das zweite eine schwere Schädigung der Gesundheit

verhindern, das dritte ein überaus dringliches Bedürfnis der Sättigung

befriedigen usw. bis zum zehnten / Glas, das gerade noch eine ganz

geringe Sättigung und einen eben noch gefühlten Genuß gewährt.

Ohne das Gossensche Gesetz ist die ganze Grenznutzenlehre

undenkbar, weil nur bei stetig abnehmender Bedürfnissättigung jene

jeweils kleinste Größe, jener „Grenznutzen“, überhaupt entstünde, der

als entscheidende Rechengröße die Wert- und Preisbildung

bestimmen könnte. Denn nicht alle Bedürfnisbefriedigungen spielen

nach der Grenznutzenlehre die gleiche Rolle; sondern die jeweils

kleinste, die im Falle des Verlustes eines Teilgutes allein in Wegfall

kommt, bildet ihr die Grundlage der Wertrechnung.

Es sind zwei grundlegende Fehler, welche die Grenznutzenlehre

macht: erstens, daß sie die subjektiven, die psychologischen Vorgänge

bei der Bedürfnisbefriedigung (Zielerreichung) untersucht und

dadurch in P s y c h o l o g i s m u s u n d S u b j e k t i v i s m u s

verfällt — statt die objektive Gliederung der Leistungen, statt das

Gebäude der Leistungen und der daraus erst abgeleiteterweise

folgenden Leistungsgrößen zu untersuchen; zweitens, daß das

Gossensche Gesetz s e l b s t u n g ü l t i g i s t , daher die

Möglichkeit, überall mit einer kleinsten Größe in der Wirtschaft zu

rechnen, fehlt und der Begriff des Grenzwertes ins Wanken kommt.

Über die methodische Unmöglichkeit jedes Psychologismus Näheres unten

1

. Über

die Unrichtigkeit des Gossenschen Gesetzes vergleiche unseren Aufsatz

„Gleichwichtigkeit gegen Grenznutzen“

2

. Hier genüge in aller Kürze darüber

folgendes.

Nehmen wir an, der Durstige wäre ein Wanderer in der Wüste, der das zehnte Glas

Wasser getrunken und sich damit im Sinne des Beispiels vollständig gesättigt hätte.

Nehmen wir aber weiter an, er fände danach einen weiteren vorher vergessenen Vorrat

von zwei Glas Wasser. Nach dem Gossenschen Gesetz hätten diese einen negativen

Wert, da ihr Genuß nur Abscheu erregen könnte. Dem ist aber nicht so, denn der

Wanderer kann sie tatsächlich zu anderen Bedürfnissen verwenden! Er kann z. B. sein

Fleisch kochen, statt es zu braten, und damit zu einem neuen, lang entbehrten Genusse

kommen; er kann sich damit die Hände waschen, er kann sogar seinen Esel damit

tränken und diesem Tiere

1

Siehe unten S. 344 ff.

2

Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd 123, Jena 1925, S. 289 ff.

(Jetzt enthalten in meinem Buche: Tote und lebendige Wissenschaft, 5. Aufl., Graz

1967.)