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und so fort — insofern sind jene sich selbst völlig genügenden Zwecke doch anderen
Zwecken später dienstbar gemacht und damit zu (wirtschaftlichen) Mitteln,
Gelegenheitsmitteln, Mitteln edleren Stammes geworden.
Dieser Zwittercharakter wohnt in weit höherem Maße den Leistungen und geistigen
Gütern inne, als der gewöhnlichen Anschauung geläufig ist. Selbst von dem, der die
gröbste Arbeit macht, verlangt man, er möge seinen Beruf mit Hingebung, mit
Pflichtgefühl, mit Liebe ausüben, das heißt aber: seine Leistungen mögen ihm nicht
reines Mittel zum Erwerb bleiben, er möge sie zugleich als sittliches Werk, in dem er
seine Bestimmung erfüllt, als Selbstzweck ansehen. Der in Ruhestand getretene Beamte,
den es unwiderstehlich zu seiner alten, liebgewonnenen Arbeitsstätte treibt, jeder, der
„gern arbeitet“, jeder, der etwas von der eigenen Persönlichkeit in seinem Beruf und
Werk einsetzt — sie alle legen Zeugnis davon ab, wie weit das Mittel zugleich zum Ziel,
zum Mittel höheren Stammes werden kann. Dies ist ein für den Aufbau jeder Kultur
wichtiges Bestandstück, w e i l d i e W i r t s c h a f t d a d u r c h g l e i c h s a m
e n t w i r t s c h a f t e t w i r d — in demselben Maße, als sie ihre Mittelhaftigkeit
verliert!
Außer den angeführten Mitteln höheren Stammes gibt es auch solche, bei denen die
Arbeitsleistung weniger deutlich in Erscheinung tritt, die daher (weil das für die
Erkenntnis der Grenzen der Wirtschaft bedeutsam ist) besonders herausgehoben werden
sollen. Wir finden hier
2.
Leibesübungen, gesundheitsmäßiges Verhalten (darunter z. B. das schon erwähnte
Spazierengehen). Dies alles ist Selbstzweck, sofern es Wohlbefinden, Zerstreuung,
angenehme Empfindungen, Betätigungslust in sich schließt. Es ist Mittel, sofern es die
Arbeitskraft stärken, Arzt und Arznei ersparen oder andere Ziele erreichen helfen soll.
Ähnlich
3.
die Leistungen des Staates und öffentlicher Verbände, wie insbesondere
Verwaltungsleistungen, Rechtshilfe und ähnliches. Sie sind Selbstzwecke, sofern die
Gerechtigkeit, die Staatsidee, die sittliche Ordnung, die Kulturidee in ihnen verwirklicht
werden und zur Erscheinung kommen; sie sind Mittel, sofern sie zugleich in die
wirtschaftliche Tätigkeit der Menschen als Hilfen eingreifen, wie es das Wechsel- und
Handelsrecht und jene öffentlichen Leistungen besonders deutlich zeigen, die dann zum
Teil nach dem Entgeltungsgrundsatz (mittels Gebühren und Beiträgen statt Steuern)
bezahlt werden (z. B. das Ausstellen eines Jagdscheines). Der Rechtsakt des
Wechselprotestes ist Selbstzweck, sofern er die Idee der Gerechtigkeit verwirklicht; er
ist wirtschaftliches Mittel, sofern er dem Kredit eine wichtige Hilfe bietet, Kredit- und
Rechtssicherheit erzeugt. Ähnlich verhält es sich
4.
bei der Erziehung, die, als bloße Vermittlungsmaschinerie von Kenntnissen,
besonders fachlicher praktischer Art, als bloßer Ausbildungsmechanismus von
Fähigkeiten betrachtet, ein Mittel bildet, hinterher aber Selbstzweck werden kann,
indem im Verhältnis von Lehrer und Schüler eine eigene, beiden wert- / volle geistige
Welt entsteht. Ebenso ist Erziehung Selbstzweck nach dem Satz: „Durch Lehren lernt
man.“