E r s t e r A b s c h n i t t
Der Aufbau der Gesellschaft
Für den i n d i v i d u a l i s t i s c h e n S t a n d p u n k t ist diese
Frage nicht gültig, weil der Individualist nicht die Gezweiung, son-
dern nur den an sich bestehenden Einzelnen anerkennt. Gesellschaft
als bloße Vielheit e i n z e l n e r Geistigkeiten (die im verborge-
nen Inneren des Menschen wohnt und die Gesellschaft im Grunde
auch nichts angeht) hat aber kein „Gefüge“, keinen formellen Auf-
bau in der Gliederung. Denn nichts, was bloße Häufung und Sum-
mierung ist, kann Gefüge haben. Der Individualismus ist auch hier,
wie so oft, wirklichkeitsfremd, und problemlos, er kann an die
Denkaufgaben, welche die Wirklichkeit stellt, nicht herankommen.
Da für den universalistischen Standpunkt das Bestehen der Ge-
sellschaft aus Gezweiungen feststeht, ergibt sich für ihn zunächst
die Frage: zwischen wem ist Gezweiung möglich, und welches ist das
Verhältnis der Gezweiungen untereinander?
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I. Zwischen wem ist Gezweiung möglich?
Nicht zwischen allen Menschen! Gezweiung ist nur möglich inner-
halb einer gewissen Gleichartigkeit, wobei weder die Gleichheit der
Artung eine vollkommene sein darf noch die Verschiedenheit eine
allzu große. Es ist dies eine grundlegend wichtige Tatsache.
Geistige Gemeinschaft zwischen geistig v o l l k o m m e n Glei-
chen ist zwar möglich, ergibt aber keine weckende, zubauende, bil-
dende Gemeinschaft, denn wer sollte da der Geber, wer der Empfan-
gende sein? Darum ist die Gezweiung zwischen geistig vollkom-
men Gleichen (ein Grenzfall, der ja niemals ganz verwirklicht ist)
wesentlich nur auf gegenseitige B e k r ä f t i g u n g gegründet, auf
gemeinsame Beziehung zu dem gleichen äußeren Gegenstand und
höheren Werte. Diese Gemeinschaft gleicht der communio sancto-