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ten schlechthin in ihrer Zerklüftung beharrten. Das ergäbe wieder
ein atomistisches Urgemenge, dessen Bestandteile zwar nicht Ein-
zelne, sondern kleine Gruppen wären, nicht minder unfähig, ein
Gesamt-Ganzes zu bilden.
Die Antwort auf die Frage, wieso die Gesellschaft nicht in ein /
Nebeneinander getrennter Gemeinschaftskreise auseinanderfällt, ist
folgende:
(1)
Es fehlt nicht ganz an durchgreifenden Vergemeinschaftungen.
Diese beschränken sich zwar auf die allen Menschen gemeinsamen
Dinge, auf das „Menschliche, allzu Menschliche“. Gemeinsame Sit-
ten, wie sie a l l e n Gesellschaftskreisen eigen sind, ein gemeinsames
Mindestmaß von Gewohnheiten, Wissen, Sprache, Heimat, Staat
und so fort verbindet schließlich die weitesten Kreise, zum Teil so-
gar über völkische Unterschiede hinweg; aber sie begründen gerade
darum eine feste gemeinsame Unterlage, auf der sich die Verschie-
denheiten erst erheben können.
(2)
Gewisse Vereinheitlichungserscheinungen sodann, wie sie an
späterer Stelle noch genauer behandelt werden, nämlich „Werbung“
jeder Art, z. B. politische „Propaganda“, wirtschaftliche „Reklame“,
und „Wertentlehnung“, z. B. Mode, verbinden weite, sonst vonein-
ander getrennte Kreise. Kubisten und Expressionisten, Dienstmäd-
chen und Hausfrau können beide Modeaffen und hierin eins sein.
Es ist aber klar, daß diese Vergemeinschaftungen die Gegensätz-
lichkeiten nicht überwinden können
1
.
(3)
Die Gemeinschaften ordnen sich selbst in ihrer Gegensätzlich-
keit nach objektivem Bezuge, und zwar erstens nach einer Wert-
Ordnung, zweitens nach einer inhaltlichen Gliederung alles Geisti-
gen, das ist nach ihrem organischen Enthaltensein im Gesamtgeisti-
gen der Gesellschaft.
(4)
Diese Werteinheit und inhaltliche Gliederungseinheit würde
von selbst nicht verwirklicht werden können. Es bedarf dazu einer
auf ihrer Grundlage sich erhebenden H e r r s c h a f t .
Wir betrachten zuerst die Wertordnung, dann die inhaltliche Ge-
samtgliederung, schließlich die Herrschaft.
1
Darüber erst später mehr.