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der Sache, im besonderen Inhalte des Vergemeinschaftsvorganges
die Beschränkung auf einen kleinen Kreis gegeben ist, wie in der
Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern.
Aus diesem Umfangsgesetz geht hervor, daß nur die allen ge-
meinsamen geistig-sinnlichen Inhalte, das „allgemein Menschliche“,
Gründe für d u r c h g ä n g i g e Vergemeinschaftung der Menschen
abgeben können, daß es also zwar große Gemeinschaften auch gibt,
aber nur solche, die im Gewöhnlichen, nicht im innig Bindenden be-
stehen.
II.
Das Verhältnis der Gezweiungen untereinander:
Ein Bild der Zerklüftung der Gesellschaft
Besteht das Gesetz der Kleinheit der Gemeinschaften zu Recht,
so muß das Verhältnis der kleinen Gemeinschaften zueinander —
eben wegen ihrer gegenseitigen Abschließung und Fremdheit klei-
nen — ein Bild schmerzlicher Zerklüftung der Gesellschaft bieten.
Sehen wir uns in unserer Erfahrung um, so finden wir die selt-
samste Trennung und Zersplitterung der Gemeinschaften und damit
auch der Menschen, die ihnen angehören. In der einen Stube eines
Gasthofes tagen vielleicht die Freidenker, in der anderen der katho-
lische Gesellenverein; in der einen die Impfgegner, in der anderen
die Gesellschaft der Ärzte, die Impfzwang fordert; hier die Konser-
vativen, dort die äußersten Liberalen und Demokraten; hier die
Pazifisten, dort kampfbereite Völkische; hier die Neu-Malthusianer,
die den Geschlechtsverkehr als rein hygienische Angelegenheit auf-
fassen, dort der religiöse Sittlichkeitsverein; hier die Spiritisten,
dort die Materialisten; hier die Vegetarianer, dort der fleisch-
liebende Athletenklub; hier die Schmetterlings- und Mottensammler
mit ihrer Freude am Kleinen, dort die theoretischen Naturforscher,
deren Gegenstand allein das Allgemeine ist; hier die Facharbeiter,
die den Werkstättenstreik beraten und an persönlichen Einzelvor-
teilen des Tages haften, dort die Parteiführer und Staatsmänner mit
ihren in die Ferne schauenden Blicken; hier die offene Volksver-
sammlung, dort die Freimaurerloge auf ihren geheimbündlerischen
Pfaden; hier die Sitzung des Sparvereins, dort die alles vergeudende
Spielergesellschaft; hier Gigerl und Modedame, deren wichtigster